Das Bundesgericht hat einen Kunstsammler unlängst zur Nachzahlung von Einfuhrsteuern in Höhe von rund CHF 11 Mio. plus Verzugszinsen in Höhe von rund 2.5 Mio. verurteilt. Zwar betraf das Urteil den Zeitraum von 2008 bis 2013, sodass in der Sache altrechtliche Gesetzesregelungen zur Anwendung kamen. Allerdings weichen die aktuellen Bestimmungen des MWSTG nicht von diesen ab, weshalb das Urteil auch nach heute geltendem Recht gültig bleibt.
Hintergrund
Hintergrund war, dass die Einfuhr in die Schweiz durch eine Galerie erfolgte, die eine Bewilligung zur Nutzung des Verlagerungsverfahrens hatte. Offenbar zu Unrecht, denn wie das Gericht in seinem Urteil 2C_219/2018 vom 27. April 2020 bestätigt, ist nur derjenige berechtigt, als Importeur aufzutreten, der unmittelbar nach der Einfuhr die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die Importwaren innehat. Dass die Galerie die Verfügungsmacht an den Werken hatte, wurde vorliegend verneint und in der Folge der Kunstsammler, dem die Verfügungsmacht im fraglichen Zeitpunkt tatsächlich zustand und daher als Importeur hätte auftreten müssen, zur Zahlung der Einfuhrsteuern verpflichtet.
Was ist das Verlagerungsverfahren?
Beim Verlagerungsverfahren entrichtet der Importeur die Einfuhrsteuer nicht an das BAZG, sondern deklariert sie im Rahmen der entsprechenden Mehrwertsteuer-Quartalabrechnung auf einem separaten Formular und macht sie zeitgleich als Vorsteuer geltend (weshalb kein Geld fliesst). Dabei bewirkt die Anwendung bzw. Bewilligung des Verlagerungsverfahrens bezüglich der Erhebung der Einfuhrsteuern laut Bundesgericht keine Kompetenzverschiebung vom BAZG zur ESTV; vielmehr handelt es sich um eine reine Zahlungsmethode, die dem Steuerpflichtigen die Optimierung seines Cash-Flows ermöglicht. Die Anwendung des Verlagerungsverfahrens ist an diverse, kumulativ zu erfüllende Voraussetzungen geknüpft, die insbesondere in Art. 118 der MWSTV aufgezählt werden. Dazu gehört, dass der Bewilligungsinhaber in der Schweiz steuerpflichtig ist.
Im hier beurteilten Fall war der Kunstsammler in der Schweiz nicht für die MWST registriert, weshalb er selbst über keine Bewilligung zur Anwendung des Verlagerungsverfahrens verfügte und generell auch nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt war.