Steuerliche Stolpersteine bei grenzüberschreitender Telearbeit

In unserem letzten Beitrag wurden die sozialversicherungsrechtlichen Unterstellungsregeln bei grenzüberschreitender Tätigkeit sowie die sich daraus ergebende Problematik näher beleuchtet. Dabei muss immer beachtet werden, dass neben der sozialversicherungsrechtlichen Perspektive zusätzlich die steuerliche Sichtweise überprüft werden muss. Dabei sind die anwendbaren Doppelbesteuerungsabkommen (DBA), die Zusatzabkommen bzw. Verständigungsvereinbarungen sowie die separaten kantonalen Sonderabkommen mit den Grenzstaaten zu beachten.

In Bezug auf die Besteuerung der Erwerbseinkünfte von Arbeitnehmern ist Ausgangspunkt jeder steuerlichen Beurteilung Art. 15 des jeweiligen anwendbaren DBAs. In Absatz 1 ist das sog. Arbeitsortsprinzip verankert, wonach der Tätigkeitsstaat Einkünfte aus unselbständiger Erwerbstätigkeit besteuern kann, sofern die Arbeit tatsächlich physisch in diesem Staat ausgeübt wird. Werden nun bestimmte Arbeitstage bei grenzüberschreitenden Arbeitsverhältnissen nicht mehr physisch am Sitz des Arbeitgebers im Tätigkeitsstaat, sondern im Homeoffice im Wohnsitzstaat geleistet, kann dies zu einer anderen Zuweisung des Besteuerungsrechts des Arbeitslohnes führen.

Für das Beispiel eines internationalen Wochenaufenthalters mit Wohnsitz und Familienort im Ausland und Arbeitsort in der Schweiz, bedeutet dies, dass die Schweiz aufgrund des Arbeitsortsprinzips die Schweizer Arbeitstage besteuern darf. Jeder einzelne im Homeoffice am ausländischen Wohnsitz geleistete Arbeitstag untersteht jedoch im Ausland der Steuerpflicht und muss in der Schweiz entsprechend steuerlich freigestellt werden. Nimmt die Homeoffice Tätigkeit im Ausland ein gewisses Ausmass an, ist zu prüfen, ob infolge Anwendung der sog. «Monteurklausel» nach Art. 15 Abs. 2 des jeweiligen DBAs das ausschliessliche Besteuerungsrecht der Erwerbseinkünfte dem ausländischen Ansässigkeitsstaat zusteht. Diese Spezialbestimmung greift, sofern sich der Arbeitnehmer insgesamt weniger als 183 Kalendertage in der Schweiz aufhält (Arbeitstage inkl. Wochenenden und Ferien) und die Vergütung nicht von einem Arbeitgeber in der Schweiz oder einer dort gelegenen Betriebsstätte des ausländischen Arbeitgebers getragen wird. Sind die Voraussetzungen kumulativ erfüllt, verliert die Schweiz als Arbeitsort ihr Besteuerungsrecht.

Eine weitere Ausnahme von der Besteuerung am Arbeitsort findet man bei der Besteuerung leitender Angestellter. So ist etwa im Verhältnis mit Deutschland am 6. April 2023 eine neue Konsultationsvereinbarung zur Anwendung von Art. 15 Abs. 4 DBA DE abgeschlossen worden. Danach soll die Regelung dieses Artikels unter bestimmten Voraussetzungen auch auf nicht im Handelsregister eingetragene «leitende Angestellte» Anwendung finden. Art. 15 Abs. 4 DBA DE ermöglicht eine Besteuerung der Einkünfte, die eine in einem Vertragsstaat (z.B. Deutschland) ansässige natürliche Person für ihre Tätigkeit als Vorstandsmitglied, Direktor, Geschäftsführer oder Prokurist – ein sog. «leitender Angestellter» – einer im anderen Vertragsstaat (z.B. Schweiz) ansässigen Kapitalgesellschaft (Arbeitgeber) bezieht, im anderen Vertragsstaat (d.h. Schweiz). Damit hat der Ansässigkeitsstaat der Kapitalgesellschaft ein Besteuerungsrecht am Lohn des leitenden Angestellten, unabhängig vom Ort, von wo aus dieser seine Arbeit tatsächlich verrichtet.

Schliesslich finden sich weitere Ausnahmen des Arbeitsortsprinzips bei der Besteuerung von Grenzgängern. Ähnlich wie im Bereich der Sozialversicherungsunterstellung waren auch aus steuerlicher Sicht aufgrund der COVID-19 Pandemie bis vor kurzem diverse spezielle Konsultationsvereinbarungen und Regelungen mit den an die Schweiz angrenzenden Staaten zu beachten. Zwar sind diese zwischenzeitlich ausser Kraft getreten, jedoch fand aufgrund der Zunahme der Homeoffice Tätigkeit im Zuge der Pandemie eine wichtige Impulssetzung statt. Vor diesem Hintergrund und der Tatsache, dass Beschäftigte ihre Tätigkeit zunehmend auch an ihrem Wohnsitz ausüben möchten, wurden in letzter Zeit im Bereich der Besteuerung von Grenzgängern diverse neue Regelungen mit den umliegenden Ländern abgeschlossen.

Die einschlägige Grundbestimmung im jeweiligen DBA sieht dabei eine weitere Ausnahme vom Arbeitsortsprinzip vor. Dabei darf der Ansässigkeitsstaat nach dieser Bestimmung i.d.R. die Erwerbseinkünfte trotzdem besteuern, auch wenn die Arbeit im Tätigkeitsstaat verrichtet wird. Ausschlaggebend und deshalb oft Gegenstand von Verständigungsverfahren ist die Definition und Auslegung zum Begriff der Grenzgängereigenschaft und dabei insbesondere der sog. Nichtrückkehrtage. Dabei kann die Grenzgängereigenschaft entfallen, wenn keine periodische Heimkehr an den Wohnsitz stattfindet bzw. die Nichtrückkehrtage eine gewisse Schwelle überschreiten.

Nicht immer klar war die Frage, wie Homeoffice-Tage zu qualifizieren sind und ob sie allenfalls als Nichtrückkehrtage qualifizieren. Deutschland und die Schweiz wollten der zunehmenden Verbreitung der Homeoffice-Tätigkeit Rechnung tragen. So ist im Verhältnis zu Deutschland am 26. Juli 2022 eine Konsultationsvereinbarung betreffend ganztägig am Wohnsitz verbrachter Arbeitstage in Kraft getreten. Danach gelten Arbeitstage, an denen eine Grenzgängerin oder ein Grenzgänger ganztägig am Wohnsitz im Ansässigkeitsstaat arbeitet, nicht als Arbeitstage, an welchen die Person nach Arbeitsende aufgrund ihrer Arbeitsausübung nicht an den Wohnsitz zurückkehrt. Diese Arbeitstage gelten somit nicht als Nichtrückkehrtage im Sinne des DBA.

Im Verhältnis zu Frankreich wurde am 22. November 2023 die Botschaft zur Genehmigung und Umsetzung eines Zusatzabkommens zum Doppelbesteuerungsabkommen mit Frankreich verabschiedet. Dieses Zusatzabkommen ermöglicht das grenzüberschreitende Homeoffice bis zu 40 % der Arbeitszeit pro Jahr – insbesondere für Grenzgängerinnen und Grenzgänger. Es ist Teil der Ende 2022 vereinbarten Lösung betreffend Homeoffice. Innerhalb dieses Limits sieht das Zusatzabkommen vor, dass Vergütungen im Zusammenhang mit Telearbeit in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem sich der Arbeitgebende befindet. Weiter sieht das Abkommen vor, dass der Staat des Arbeitgebenden dem Wohnsitzstaat des Arbeitnehmenden 40% der Steuern überweist, die er auf den Vergütungen aus Telearbeit im Wohnsitzstaat erhoben hat. Um die Anwendung der neuen Regeln zu gewährleisten, ist ein automatischer Informationsaustausch über Lohndaten vorgesehen.

Im Verhältnis zu Italien wurde am 10. November 2023 eine Erklärung unterzeichnet, worin eine auf zwei Jahre befristete Steuerregelung für das Homeoffice vereinbart wurde. Ab dem 1. Januar 2024 haben gemäss der Erklärung alle Grenzgängerinnen und Grenzgänger im Sinne des im Dezember 2020 unterzeichneten Grenzgängerabkommens die Möglichkeit, bis zu 25 Prozent ihrer Arbeitszeit im Homeoffice zu leisten. Diese bleibt ohne Auswirkungen auf den Staat, der die Einkünfte aus unselbständiger Erwerbstätigkeit besteuern darf und auf den Status als Grenzgänger. Zudem wurde beschlossen, die von beiden Ländern am 20. April 2023 vereinbarte Übergangslösung zu erweitern. Das Staatssekretariat für internationale Finanzfragen SIF meldete am 28. November 2023, dass beide Staaten in einer befristeten Verständigungsregelung vereinbart haben, dass zwischen dem 1. Februar 2023 und dem 31. Dezember 2023 Telearbeit bis zu 40 % der Arbeitszeit möglich ist, ohne dass es zu einer internationalen Aufteilung der Steuerrechte oder einer Änderung des Status der Grenzgängerinnen und Grenzgänger kommt.