E-invoicing in der Schweiz – Änderungen in Sicht

Rechnungen kommt in der MWST bekannterweise eine herausragende Bedeutung zu: einerseits wird mit ihnen die MWST (sofern anwendbar) auf den Kunden überwälzt, andererseits bildet sie für Unternehmen eine wesentliche Grundlage für die Rückforderung der mit ihr belasteten Mehrwertsteuer (sog. Vorsteuer). Bisher kennt die Schweiz zwei Rechnungsformate: die Rechnung in Papierform und die elektronische Rechnung (oder auch E-Rechnung). Letztere wird von der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) aktuell definiert als ein elektronisch generiertes Dokument, welches die gleichen Inhalte und Rechtsfolgen hat wie Papierrechnungen. Mit der Überarbeitung der MWST-Info 16, Buchführung und Rechnungsstellung, Entwurf vom 3. Mai 2023, wird scheinbar ein weiteres Format eingeführt: neben der Papierrechnung und der E-Rechnung soll es neu auch die digitale Rechnung geben. Doch wie unterscheiden sich diese beiden letztgenannten Kategorien genau voneinander? Und wie relevant ist dies für in der Schweiz tätige Unternehmen in der Praxis, welche möglichen Konsequenzen ergeben sich daraus?

Hintergrund

Noch vor wenigen Jahrzehnten wurden Rechnungsdokumente (mangels besserer Alternativen) immer in Papierform erstellt, doch im Zuge der Digitalisierung eröffneten sich schnell neue billigere und zeitsparendere Möglichkeiten: so erfreute sich die via E-Mail verschickte Rechnung im PDF-Format zunehmender Beliebtheit. Die früher geltenden mehrwertsteuerlichen Regeln zur Rechnung waren starr, die Anforderungen an Formerfordernisse hoch und letztlich auf Papierrechnungen zugeschnitten. Neue Regeln wurden notwendig, um für Unternehmen Rechtssicherheit im Umgang mit Rechnungen, die nicht in Papierform erstellt und versendet werden oder die zwar in Papierform übermittelt, aber elektronisch archiviert werden, zu schaffen. Dies gilt nicht nur für die Schweiz, sondern Weltweit.

e-Rechnungen in der Schweiz

AKTUELL GÜLTIGE REGELUNGEN

Das Schweizer MWST-Gesetz (MWSTG) definiert eine Rechnung als Dokument, mit dem über das Entgelt für eine Leistung abgerechnet wird. Die Bezeichnung des Dokuments ist irrelevant (Substance over Form). Damit gelten auch Verträge, Quittungen, Kassenzettel und dergleichen als Rechnung im Sinne des MWSTG. Zur Frage der Trägerart schweigt das Gesetz. Die ESTV definiert in der von ihr publizierten und aktuell gültigen Praxis elektronische Rechnungen als elektronische Dokumente, die die gleichen Inhalte und Rechtsfolgen haben wie Papierrechnungen. Damit anerkennt die ESTV E-Rechnungen ausdrücklich als Rechnungen an und hält fest, dass für E-Rechnungen die gleichen Regeln gelten wie für Papierrechnungen. So haben Rechnungen in elektronischer Form grundsätzlich die gleiche Beweiskraft wie Papierrechnungen, sofern die Grundsätze einer ordnungsgemässen Buchführung und sämtliche Anforderungen der Geschäftsbücherverordnung (GeBüV) eingehalten sind (d.h. die Belege werden so aufbewahrt, dass sie nicht geändert werden können und während der gesetzlichen Aufbewahrungsfrist jederzeit überprüfbar sind). Dies steht im Einklang mit der im MWSTG verankerten Beweismittelfreiheit. Mit dieser Praxis wurde für Unternehmen der Weg freigemacht, Rechnungen im PDF-Format via E-Mail oder in einem anderen digitalen Format zu verschicken und dabei auf Druck und Versand zu verzichten, ohne nachteilige MWST-Konsequenzen fürchten zu müssen. Dies gilt unabhängig von der allfälligen Nutzung einer elektronischen Signatur. 

JÜNGSTE PUBLIKATIONEN DER ESTV UND GEPLANTE PRAXISANPASSUNGEN

Anfang Mai 2023 publizierte die ESTV den Entwurf der überarbeiteten MWST-Info 16, Buchführung und Rechnungsstellung (die Frist zur Vernehmlassung ist seit dem 7. Juni 2023 abgelaufen). Aus dem vorliegenden Entwurf ergibt sich, dass elektronische Belege auch weiterhin den Papierbelegen gleichgestellt sind und grundsätzlich als Nachweise akzeptiert werden. Interessant ist jedoch, dass gemäss Entwurf der Passus zur Definition einer elektronischen Rechnung ersatzlos gestrichen werden soll. Stattdessen findet sich in einer scheinbar nebensächlichen Anmerkung folgender Satz:

«Die Papierrechnung, die elektronische und digitale Rechnung (z.B. PDF-Rechnung oder gescannte Papierrechnung) sind für die Belange der MWST gleichgestellt.»

Hiermit führt die ESTV neben der Papierrechnung und der E-Rechnung offenbar eine dritte Kategorie, nämlich die digitale Rechnung, ein. Heisst das, eine Rechnung im PDF-Format gilt nicht mehr als elektronische Rechnung? Und was genau ist dann unter einer elektronischen Rechnung im Unterschied zur digitalen Rechnung zu verstehen? Hat dies für Unternehmen eine Praxisrelevanz? Dem Entwurf der Praxispublikation ist dazu nichts weiter zu entnehmen.

EIN BLICK ÜBER DIE GRENZE

Einen Hinweis darauf, wie eine digitale Rechnung von einer E-Rechnung möglicherweise abzugrenzen ist, könnte ein Blick auf die in der EU gültigen Regelungen geben:

Bereits im Jahr 2010 wurde die MWST-Richtlinie der EU dahingehend angepasst, dass auch Dokumente, die in einem elektronischen Format gesendet und empfangen werden und denselben Inhalt wie eine Papierrechnung enthält, grundsätzlich als Rechnungen anzusehen sind. Damit wollte die EU die Nutzung von E-Rechnungen bewusst fördern. Jedoch wie so oft wird diese Bestimmung von den einzelnen EU-Mitgliedstaaten unterschiedlich interpretiert und angewendet, insbesondere dazu, was die Voraussetzungen sind, um eine solche Rechnung als für die Zwecke der MWST gültig ansehen zu können. Manche Länder akzeptieren demnach wie die Schweiz einfache PDF Rechnungen, andere verlangen zusätzlich eine elektronische Signatur oder sind noch strenger. Im Rahmen von Peppol (Pan-European Public Procurement On-Line), einem Projekt, das den Prozess der elektronisch unterstützten öffentlichen Vergabe von Aufträgen innerhalb der EU harmonisieren soll, wurde dann 2014 die EU Richtlinie über die elektronische Rechnungsstellung bei öffentlichen Aufträgen in Kraft gesetzt. Diese definiert die elektronische Rechnung sehr eng als eine Rechnung, die in einem bestimmten strukturierten elektronischen Format (CEN/TC 434 EN16931) ausgestellt, übermittelt und empfangen wird und das ihre automatische und elektronische Verarbeitung ermöglicht. Rechnungen im PDF-Format werden von dieser Definition nicht erfasst (selbst wenn sie unbestritten digital übermittelt werden). Zwischenzeitlich gilt für alle EU-Mitgliedsstaaten, dass Rechnungen an Staatliche Behörden (sog. B2G, Business to Government) nur noch in diesem speziellen strukturiere Format eingereicht werden dürfen. Die aktuell viel diskutierte MWST-Initiative der EU, ViDA (VAT in the Digital Age), baut nun auf diese Definition der elektronischen Rechnung auf und sieht für Unternehmen, die in der EU grenzüberschreitend Leistungen erbringen, eine Verpflichtung zur Ausstellung von elektronischen Rechnungen im Format CEN/TC 434EN16931 auch bei Transaktionen zwischen Unternehmen (B2B) vor.

BEDEUTUNG FÜR DIE SCHWEIZER PRAXIS

Es ist nicht klar, ob die Schweiz bzw. die ESTV sich darauf vorbereitet, in absehbarer Zeit ebenfalls entsprechende Regelungen einzuführen und eventuell sogar inskünftig E-Rechnungen nur noch als Rechnungen zu definieren, die in einem bestimmten strukturierten Format übermittelt und empfangen werden. Zwar ist die Schweiz kein Mitglied der EU und damit auch nicht verpflichtet, sich den in der EU geltenden Vorgaben zur Rechnungsstellung zu unterwerfen. Im Interesse der Wirtschaft ist aber eine gewisse Orientierung des Schweizer MWST-Rechts and dasjenige der EU sinnvoll, selbst wenn es sich dabei zunächst nur um die Frage von Definitionen handeln sollte. Denn aktuell ist nicht zu sehen, dass die von der ESTV geplante sprachliche Einführung einer dritten Form von Rechnungen in der Schweiz praktische Relevanz haben wird: die Rechnungskategorien «Papierrechnung», «E-Rechnung» und «digitale Rechnung» sind einander gleichgestellt, für eine Einführung einer obligatorischen Rechnungsstellung in einem bestimmten strukturierten elektronischen Format gibt es aktuell keine Anhaltspunkte. Aber sie wird wohl möglich gemacht, was sich daran zeigen dürfte, dass die Eidgenössische Finanzverwaltung in einer Medienmitteilung vom 17. März 2023 die Rechnungsstellung in Form der E-Rechnung bewirbt (https://www.efv.admin.ch/efv/de/home/efv/erechnung/e-rechnung-zustellen.html): denn gemäss Medienmitteilung qualifizieren als E-Rechnungen die Fakturierung im PDF-Format ebenso wie die Fakturierung mittels integriertem System (ERP; mit oder ohne Involvierung eines Service Providers) und die Erfassung der Rechnung im Internet (via Service Provider).   

Fazit

Bei der geplanten Unterscheidung zwischen E-Rechnungen und neu auch digitalen Rechnungen handelt es sich wohl lediglich um eine sprachliche Differenzierung, die aktuell in der Schweizer Praxis vermutlich keine Auswirkungen haben wird. Ob dies aber auch für die Zukunft gilt, bleibt abzuwarten. In der Schweiz ansässige Unternehmen, die in der EU tätig sind, sollten die Entwicklungen im Zusammenhang mit der ViDA Initiative im Blick behalten und auch beobachten, wie die Schweizer Behörden darauf reagieren.