Ist der Zugang zu Social-Media-Plattformen wie Facebook, WhatsApp und Instagram wirklich gratis? – Der Fall Meta

Die italienischen Steuerbehörden haben für den Zeitraum 2015 bis 2021 gegen den US-Konzern Meta einen Umsatzsteuerbescheid in Höhe von 870 Millionen Euro erlassen.  Sie sind der Ansicht, dass zwischen den Nutzern und den vom Meta-Konzern betriebenen Plattformen wie z.B. Facebook eine Tauschvereinbarung besteht, aufgrund derer Meta die Umsatzsteuer auf den Wert des Zugangs zur jeweiligen Plattform schuldet. Demnach bezahlen die Nutzerinnen in Tat und Wahrheit mit ihren Daten für den Zugang und für die Nutzung der Plattformen des Konzerns. Der Fall ist auch für Schweizer Unternehmen interessant, die privaten Nutzen im EU Raum online einen kostenfreien (oder sehr günstigen) Zugang z.B. zu Informationsplattformen gewähren und dabei Kundendaten abfragen/wirtschaftlich nutzen.  

Hintergrund

Zum Meta-Konzern gehören diverse Social-Media Plattformen wie z.B. Facebook, WhatsApp oder Instagram. Diese Plattformen werden weltweit von Millionen Menschen aufgerufen und genutzt. Dabei wird der Zugang zu diesen Plattformen aus Sicht des Meta-Konzerns und wohl auch in der Wahrnehmung vieler Nutzer und Nutzerinnen kostenlos gewährt. Insbesondere schulden die Nutzer keine Zahlung einer Zugangsgebühr oder ähnliches.  Vielmehr genügt für die Gewährung des Zugangs das Einverständnis der Nutzerinnen zur Auswertung und zur Vermarktung ihrer persönlichen Daten durch den Meta-Konzern, wobei dies üblicherweise durch die Zustimmung zu den AGB der jeweiligen Plattform geschieht. Wird die Zustimmung zu den AGB abgelehnt, bedeutet dies für die betreffenden Personen in der Regel die Verweigerung des Zugangs zur gewünschten Plattform.

Konkret nutzt der Meta-Konzern, soweit dies ersichtlich ist, die Daten nicht direkt, sondern indirekt: Indem Nutzerdaten wie Geschlecht, Alter, Standorte, genutzte Geräte, Likes, besuchte Seiten etc. ausgewertet werden, kann Werbung von Drittanbietern gezielt und auf den jeweiligen Nutzer zugeschnitten geschaltet werden. So machen Werbeeinnahmen über 95% des Umsatzes von Facebook aus. Auf diese Weise werden die Nutzerdaten letztlich (indirekt) monetarisiert.

Was bedeutet dies (möglicherweise) für die MWST?

Gestützt auf die MWST-Richtlinie der EU unterliegt der MWST das Erbringen von Waren oder Dienstleistungen gegen Entgelt. Zu beachten ist dabei, dass unter dem Begriff „Entgelt“ nicht nur Geld zu verstehen ist. Vielmehr können auch erhaltene Naturalien Entgelt darstellen. Erfolgt das Entgelt für eine Leistung in Naturalien, wird gemeinhin von einem Tauschverhältnis gesprochen, bei dem der Marktwert jeder Leistung als Entgelt für die jeweils andere Leistung gilt.

Bezogen auf den konkreten Fall stellen sich die italienischen Steuerbehörden denn auch auf den Standpunkt, dass der Zugang zur Plattform nur vermeintlich gratis ist. Denn die Nutzer zahlen mit dem Wert ihrer Daten. Dies bedeutet, dass die italienischen Behörden den Nutzerdaten einen Marktwert zusprechen, wohl mit dem Gedanken, dass diese ein essenzielles Element für den finanziellen Erfolg des Meta-Konzerns darstellen: Ohne die Daten wäre eine zielgenaue Platzierung der Werbung nicht möglich und damit die Werbung auf den Plattformen für Drittanbieter nicht so interessant, sodass die Werbeumsätze ohne Nutzung der Daten wenn nicht einbrechen, so doch signifikant geringer ausfallen würden.

Bei der Leistung „Zugangsgewährung zu Plattformen/digitalen Inhalten“ dürfte es sich den üblichen MWST-Regeln zufolge um elektronisch erbrachte Dienstleistungen handeln (es ist seitens Meta keine nennenswerte von Menschen durchgeführte Handlung notwendig, um den Zugang zu ermöglichen). Der Ort der Leistung bestimmt sich nach Art. 58 der EU MWST-Richtlinie. Demnach gilt in all jenen Fällen, in denen die Nutzer und Nutzerinnen in Italien ansässig sind, Italien als Leistungsort. Und da es sich bei den Nutzern in den überwiegenden Fällen um Privatpersonen handeln dürfte, ist vorliegend Meta (bzw. die die Plattform betreibende Konzerngesellschaft) für die Abrechnung der MWST mit den italienischen Behörden zuständig (dazu wird entweder eine direkte MWST-Registrierung in Italien oder eine Registrierung über den One Stop Shop benötigt).  Bemessungsgrundlage für die von Meta erbrachte Leistung „Zugangsgewährung zu Plattformen/digitalen Inhalten“ wäre demnach der Marktwert der erhaltenen Daten.

Fragestellungen und mögliche Konsequenzen

Der Fall ist in diverser Hinsicht nicht ganz einfach und wirft viele Fragen auf, die die Gerichte werden beantworten müssen. Die wichtigste Frage ist dabei, wie genau der Marktwert der individuellen Daten zu bemessen ist (sind z.B. alle Daten gleich viel wert oder sind die Daten bestimmter Personengruppen, z.B. von Daten von Prominenten / Influencern wertvoller als Daten von „normalen“ Nutzern?). Wird den Daten ein Marktwert zugesprochen, muss jedes Unternehmen, welches privaten Nutzern grenzüberschreitend einen kostenfreien Onlinezugang zu Informationen gewährt und dabei Daten der Kunden wirtschaftlich nutzt, prüfen, ob und inwieweit mehrwertsteuerliche Registrierungen in den Staaten, in denen die Nutzer ansässig sind, notwendig sind. Möglicherweise empfiehlt es sich zudem, für den Onlinezugang ein Entgelt zu verlangen (welches dann mit dem Wert der Daten verrechnet wird) und/oder sofern möglich in den relevanten Staaten mit den jeweiligen Steuerbehörden ein Ruling anzustreben, um hier Rechtssicherheit zur Bemessungsgrundlage zu erlangen.

Letztlich stellen sich auch Fragen aus Sicht der Nutzer: werden sie nun selber möglicherweise zu steuerpflichtigen Unternehmern, wenn sie umgekehrt als Entgelt für ihre Zustimmung zur Datensammlung und Verwertung den Zugang zu digitalen Inhalten/Plattformen erhalten?

Fazit

Der Fall ist von herausragender Bedeutung, nicht nur für Meta und wegen des horrend hohen Betrages, der auf dem Spiel steht. Denn wenn das Gericht der Argumentation der italienischen Behörden folgt, ist abzusehen, dass andere EU-Mitgliedstaaten wahrscheinlich nicht zögern werden, den gleichen Weg gegenüber Meta einzuschlagen, was enorme zusätzliche finanzielle Folgen für das Unternehmen haben dürfte. Auch die Schweiz könnte diesem Vorgehen folgen, und das nicht nur gegenüber Meta: jedes Unternehmen, das den Zugang privater Konsumenten zu bestimmten Leistungen and die Zustimmung zur Verwertung der persönlichen Daten knüpft, von Google bis hin zum lokalen Supermarkt, der eine Treuekarte herausgibt, ist potenziell betroffen.