Die Schweiz hat sich verpflichtet, den internationalen automatischen Informationsaustausch auf Kryptowerte und Lohndaten zu erweitern, wobei Lohndaten nur mit Italien und Frankreich ausgetauscht werden. Um die hierzu nötigen gesetzlichen Grundlagen zu schaffen, hat der Bundesrat Anpassungen des bestehenden Bundesgesetzes über den automatischen Informationsaustausch und die Einführung eines neuen Bundesgesetzes für den automatischen Informationsaustausch von Lohndaten in die Vernehmlassung geschickt. Im Folgenden werden die wesentlichen Punkte dargestellt.

Internationaler informationsaustausch für kryptowerte

Im Herbst 2022 stellte die OECD einen automatischen Informationsaustausch («AIA») speziell für digitale Vermögenswerte vor, den sog. Melderahmen für den AIA über Kryptowerte («MRK») oder Crypto Assets Reporting Framework («CARF»). Im November 2023 haben sich rund 50 Staaten, darunter auch die Schweiz, für die Erweiterung des AIA auf digitale Vermögenswerte und das CARF ausgesprochen. Mit dem MRK sollen bestehende Lücken im Dispositiv zur Steuertransparenz geschlossen und die Ungleichbehandlung von «traditionellen» Finanzprodukten und Krypto-Produkten beseitigt werden. Es ist vorgesehen, den Krypto-AIA per 1. Januar 2026 in Kraft zu setzen, so dass der erste Datenaustausch auf der Grundlage des MRK im Jahr 2027 stattfinden kann. Dazu müssen vorgängig die völkerrechtlichen Grundlagen vom Parlament genehmigt und das bestehende Bundesgesetz sowie die Verordnung zum AIA entsprechend angepasst werden. Gleichzeitig werden verschiedene Empfehlungen des Global Forum on Transparency and Exchange of Information for Tax Purposes umgesetzt. Hierzu hat der Bundesrat am 15. Mai 2024 die Vernehmlassung eröffnet (siehe hier).

Der AIA für Kryptowährungen folgt der gleichen Systematik wie der AIA für Finanzkonten. So ist ein automatischer und regelmässiger Austausch von Informationen über Transaktionen mit Kryptowährungen vorgesehen. Die auszutauschenden Informationen sind von den meldepflichtigen Anbietern von Kryptodienstleistungen zu erheben und einmal jährlich an die ESTV zu übermitteln. Die auszutauschenden Informationen und die Qualifikation als meldepflichtiger Anbieter von Kryptodienstleistungen sind in der multilateralen Vereinbarung zum Krypto-AIA und in der DBA grundsätzlich wie folgt geregelt.

Wer: Anbieter von Krypto-Dienstleistungen, die den MRK-Meldepflichten unterliegen, sind sowohl juristische als auch natürliche Personen, sofern sie Dienstleistungen in Form von Tauschgeschäften zwischen verschiedenen relevanten Kryptowährungen sowie zwischen relevanten Kryptowährungen und Fiat-Währungen für oder im Auftrag ihrer Kunden erbringen. Dies kann beispielsweise durch die Bereitstellung von Handelsplattformen oder durch die Übernahme der Rolle einer Gegenpartei oder eines Vermittlers bei den genannten Tauschgeschäften erfolgen.

Über wen: Meldepflichtige Nutzerinnen und Nutzer im Sinne der Meldestelle für Geldwäscherei sind natürliche Personen und juristische Personen (einschliesslich Trusts und Stiftungen), die Kundinnen oder Kunden einer meldepflichtigen Anbieterin von Krypto-Dienstleistungen sind und nicht von der Meldepflicht befreit sind. Als meldepflichtige Kundinnen und Kunden gelten auch die wirtschaftlich berechtigten Personen an den betreffenden Kryptowährungen. Mit der Erfassung der wirtschaftlich berechtigten Personen soll eine Umgehung des AIA verhindert werden.

Was: Gegenstand der Meldungen sind grundsätzlich Angaben zur Identität der meldepflichtigen Person (Name, Adresse, Geburtsdatum, Steueransässigkeit, Steueridentifikationsnummer etc.) und zu den getätigten Transaktionen (Art des Kryptowertes, Gesamtbruttobetrag, Gesamtzahl der Einheiten, Anzahl der Transaktionen, Angaben zu Staking und Lending Fees etc.) Die Angaben zum meldepflichtigen Anbieter der betreffenden Krypto-Dienstleistungen sind ebenfalls zu übermitteln.

Wie: Wie: Um die meldepflichtigen Nutzerinnen und Nutzer von Kryptowährungen zu identifizieren, die für die Meldung steuerlich relevanten Staaten zu bestimmen und die erforderlichen Informationen zu beschaffen, enthält der MRK Sorgfaltspflichten für die meldepflichtigen Anbieterinnen und Anbieter von Kryptodienstleistungen. Die (eventual-)vorsätzliche Verletzung dieser Sorgfaltspflichten und weiterer Pflichten im Rahmen des AIA kann mit Bussen bis zu CHF 250’000 geahndet werden. Bei Fahrlässigkeit beträgt die Busse bis zu CHF 100’000.

Potentiell meldepflichtigen Anbietern von Krypto-Dienstleistungen wird empfohlen, möglichst frühzeitig zu prüfen, ob sie bzw. ihre Dienstleistungen in den Geltungsbereich des Krypto-AIA fallen und – falls eine Meldepflicht besteht – entsprechende Prozesse zu implementieren, um die Meldungen sicherzustellen.

Internationaler automatischer informationsaustausch von lohnda ten 

Der Bundesrat hat am 7. Juni 2024 die Vernehmlassung zu einem neuen Bundesgesetz über den automatischen Informationsaustausch von Lohndaten eröffnet (siehe hier). Die Ausarbeitung dieses Gesetzesentwurfs geht auf die Abkommen zurück, welche die Schweiz mit Italien und Frankreich zur Schaffung neuer Regeln für die Besteuerung von Grenzgängern (Italien) bzw. die Besteuerung von Telearbeit (Frankreich) abschliessen konnte.

Mit Italien konnte die Schweiz am 23. Dezember 2020 ein neues «Grenzgängerabkommen» abschliessen. Dieses Abkommen trat am 17. Juli 2023 in Kraft und ist seit dem 1. Januar 2024 anwendbar. Neben der Neudefinition des Grenzgängerbegriffs sowie der neuen Zuordnungsnorm des steuerbaren Einkommens sieht das Abkommen unter dem Titel «Administrative Zusammenarbeit» einen automatischen Informationsaustausch von Lohndaten vor. Nach dem neuen Grenzgängerabkommen gelten Personen als Grenzgänger, die

  • in einer Gemeinde steuerrechtlichen Wohnsitz haben, deren Gebiet ganz oder teilweise innerhalb einer 20 km breiten Grenzzone des anderen Vertragsstaates liegt,
  • im Grenzgebiet des anderen Vertragsstaates für einen dort ansässigen Arbeitgeber oder für eine dort gelegene Betriebsstätte oder feste Einrichtung eine unselbständige Erwerbstätigkeit ausüben und
  • grundsätzlich täglich an ihren steuerlichen Wohnsitz im Ansässigkeitsstaat zurückkehren.

Nach dem neuen Abkommen werden «neue» Grenzgänger, die im italienischem Grenzgebiet ansässig und eine unselbständige Erwerbstätigkeit bei einem im schweizerischen Grenzgebiet ansässigen Arbeitgeber oder eine entsprechende Betriebsstätte ausüben, in Italien ordentlich besteuert. Die Schweiz darf aber das Einkommen mit 80% der Quellensteuer besteuern, wobei Italien diese Steuer zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung anrechnet. Für bestehende Grenzgänger, also solche die zwischen dem 31. Dezember 2018 und dem 17. Juli 2023 bereits als Grenzgänger qualifizierten und auch nach dem neuen Abkommen als Grenzgänger gelten, bleibt es bei einer ausschliesslichen Besteuerung in der Schweiz. Die Kantone Graubünden, Tessin und Wallis sind bis zum 31. Dezember 2033 verpflichtet, 40% dieser Steuereinnahmen an die italienischen Grenzgemeinden zu zahlen.

Um die korrekte Besteuerung der neuen Grenzgänger zu gewährleisten, sieht das Grenzgängerabkommen einen automatischen Informationsaustausch von Lohndaten vor. Für die Arbeitgebenden in den Kantonen Graubünden, Tessin und Wallis bedeutet dies, dass sie erstmals anfangs 2025 für das Kalenderjahr 2024 Lohndaten und weitere Angaben zur betroffenen Person für alle in Italien wohnhaften Grenzgänger an die kantonale Steuerverwaltung melden müssen. Die Steuerbehörden der Kantone Graubünden, Tessin und Wallis sind dann für die Weiterleitung der Informationen zuständig.

Im Verhältnis zu Frankreich konnte am 27. Juni 2023 ein Zusatzabkommen zum bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen werden, welches am 14. Juni 2024 vom Parlament genehmigt wurde (siehe hier). Mit diesem Zusatzabkommen werden die bisher in verschiedenen Verständigungsvereinbarungen geregelten steuerlichen Zurechnungsnormen für Telearbeit in das DBA bzw. ein Zusatzprotokoll dazu überführt. Die neue Regelung sieht vor, dass 40 % der Arbeitszeit pro Kalenderjahr in Form von Telearbeit geleistet werden kann, ohne dass das Besteuerungsrecht für den darauf entfallenden Arbeitslohn dem Ansässigkeitsstaat des Arbeitnehmers zusteht. Diese Regelung gilt für die gesamte Schweiz, mit Ausnahme der Grenzgängerinnen und Grenzgänger, die in den Kantonen Basel-Landschaft, Basel-Stadt, Bern, Jura, Neuenburg, Solothurn, Waadt und Wallis arbeiten. Für sie gilt zwar die gleiche Toleranz von 40%, sie fallen aber materiell nicht unter das DBA.

Für die in Form von Telearbeit ausgeübte Tätigkeit zahlt der Staat des Arbeitgebers dem anderen Staat eine Ausgleichszahlung in Höhe von 40% der geschuldeten Steuer. Eine Besonderheit ist für Arbeitgeber im Kanton Genf zu beachten: Hier ist eine Freigrenze von 15% der Arbeitstage vorgesehen, für die keine Ausgleichszahlung geschuldet ist. Mit anderen Worten ist eine Ausgleichszahlung nur für die Telearbeitstage, die zwischen 15 % und 40 % der Arbeitszeit ausmachen, eine Ausgleichszahlung geschuldet. Diese Bestimmung wurde in das Abkommen aufgenommen, da Genf den Departements Ain und Haute-Sovoie weiterhin eine Ausgleichszahlung in Höhe von 3,5 %der Bruttolohnsumme der in Genf beschäftigten Grenzgängerinnen und Grenzgänger abrühren muss. Auf diese Zahlung wollte Frankreich aus innenpolitischen Gründen nicht verzichten.

Es liegt auf der Hand, dass die Kontrolle der Einhaltung der vorgenannten Regelungen detaillierte und zuverlässige Informationen über die Tätigkeit und die Entlohnung der betroffenen Personen erfordert. Frankreich hat deshalb seit vielen Jahren den Wunsch geäussert, die von der Schweiz gemeldeten Lohnsummen mit den in Frankreich von den Grenzgängerinnen und Grenzgängern deklarierten Einkommen abzugleichen. Mit dem Zusatzabkommen vom 27. Juni 2024 wurde nun ein automatischer Informationsaustausch für Lohndaten eingeführt. Danach sind neben den Personalien der betroffenen Personen folgende Angaben zu übermitteln: Kalenderjahr, in dem die Einkünfte erzielt wurden; Anzahl der Telearbeitstage bzw. Telearbeitsquote in Prozent; Gesamtbetrag der gezahlten Bruttobezüge. Die Einführung des Informationsaustausches ist für Anfang 2026 vorgesehen, was bedeutet, dass die Arbeitgebenden in allen Kantonen der Schweiz erstmals Anfang 2026 für das Kalenderjahr 2025 Informationen für alle in Frankreich wohnhaften Arbeitnehmenden an die zuständigen Steuerbehörden übermitteln müssen. Im Gegensatz zum Informationsaustausch mit Italien erfolgt die Meldung der Lohndaten an Frankreich über die ESTV.

Da der internationale automatische Informationsaustausch von Lohndaten erstmalig eingeführt wird, beabsichtigt der Bundesrat, die dafür notwendigen gesetzlichen Grundlagen in einem neuen Bundesgesetz, dem Bundesgesetz über den internationalen automatischen Informationsaustausch betreffend Lohndaten («AIALG»), zu schaffen. Dieses Gesetz regelt neben dem Verfahren, den Zuständigkeiten und den Geheimhaltungspflichten auch die Rechte der Arbeitnehmenden. Diese haben namentlich ein Auskunftsrecht über die sie betreffenden und zu übermittelnden Informationen sowie die Rechte aus dem Datenschutzgesetz. Für die Arbeitgebenden sind die schliesslich auch die Strafbestimmungen hervorzuheben. So kann die fahrlässige oder vorsätzliche Verletzung der Übermittlungspflicht meldepflichtiger Informationen sowie die Verletzung der Auskunftspflicht gegenüber den Arbeitnehmenden mit Busse bis CHF 1’000 sanktioniert werden. In schweren Fällen oder bei Rückfall kann die Busse auf bis zu CHF 10’000 festgesetzt werden.

Fazit

Wie vorstehend aufgezeigt, sind mit der Ausweitung des internationalen automatischen Informationsaustausches auf Krypto- und Lohndaten auch entsprechende Pflichten der Informationsinhaber, also der Krypto-Dienstleister und der Arbeitgebenden, verbunden. Es empfiehlt sich – nicht zuletzt auch im Hinblick auf die Strafvorschriften – frühzeitig zu prüfen, ob und inwieweit die beschriebenen Erweiterungen für das eigene Unternehmen relevant sind und gegebenenfalls entsprechende Prozesse einzurichten, um die fristgerechte und korrekte Bereitstellung der zu übermittelnden Daten gewährleisten zu können. Es wird sich noch zeigen, ob bzw. wann der automatische Informationsaustauch von Lohndaten auch im Verhältnis zu Deutschland und Österreich eingeführt wird

Die Welt des E-Commerce hat in den letzten Jahren eine beispiellose Expansion erlebt, wobei digitale Plattformen und Online-Handel den globalen Markt revolutioniert haben. Mit diesem Wachstum sind jedoch auch komplexe Herausforderungen verbunden, insbesondere im Hinblick auf die Mehrwertsteuer (MWST) und deren Anwendung auf grenzüberschreitende Transaktionen. Die dynamische Natur des E-Commerce, kombiniert mit internationalen Geschäftspraktiken, hat zu einer komplexen rechtlichen Landschaft geführt, die Teilnehmer am e-Commerce vor neue Herausforderungen stellt. Der nachstehende Artikel befasst sich in erster mit den mehrwertsteuerlichen Themen im b2c Handel (also beim Verkauf an «Konsumenten», im Gegensatz zu Unternehmungen). Dabei handelt es sich um einen groben ersten Überblick. Die entsprechenden Regelungen sind komplex und sollten daher auf Basis des konkreten Geschäftsmodells im Einzelfall geprüft werden. 

e-Commerce im EU-Raum

Keine Schwellenwerte für Drittländer!

Wer im EU Raum b2b Lieferungen (und bestimmte Dienstleistungen) erbringt, ohne über einen festen Geschäftssitz in der EU zu verfügen, wird gegebenenfalls unmittelbar (also ab dem ersten Euro Um-satz) steuerpflichtig. Sonderregelungen für Kleinunternehmer gelten meist nur für Unternehmen mit Sitz in einem EU-Mitgliedsstaat.

  • Beispiel: Ein Schweizer Händler vertreibt über seinen Webshop Pokémon Sammelkarten ab einem Fulfillment Centre in Deutschland. Kunden sind Privatpersonen in Deutschland, Österreich und den Niederlanden. Der Umsatz beläuft sich im ersten Jahr auf EUR 3’700 p.a.
  • Lösung: Der Händler muss sich in Deutschland für Zwecke der Mehrwertsteuer registrieren.

MWST in 27 Mitgliedstaaten abrechnen: der One Stop Shop

Bei b2c-Lieferungen in verschiedene Mitgliedstaaten (sog. Fernverkäufe oder «distance sales») ab einem EU-Warenlager (verzollte Ware) gilt zunächst der MWST-Satz des Staates, in dem sich das Warenlager befindet.

  • Beispiel: wie oben.
  • Lösung: Der Händler muss in Deutschland die Mehrwertsteuer auf seine Lieferungen abführen. Er schuldet die Mehrwertsteuer zum in Deutschland gültigen Satz für alle Lieferungen, auch die Lieferungen an Kunden in Österreich und den Niederlanden.

Übersteigt der Umsatz aus solchen Fernverkäufen EU-weit EUR 10’000 pro Jahr, gilt der MWST-Satz des Landes, in dem der Kunde ansässig ist. Bis vor kurzem mussten sich e-Commerce Händler unter Umständen in allen Mitgliedstaaten separat mehrwertsteuerlich registrieren, um ihren Melde- und Abrechnungspflichten nachzukommen. Seit 2021 ist es ihnen möglich, ihre Melde- und Abrechnungspflichten über eine zentrale Registrierung zu erledigen, den sog. One Stop Shop („OSS“)

  • Beispiel: wie oben, allerdings erzielt der Händler inzwischen einen Umsatz von EUR 17’000 p.a., wovon EUR 6’000 auf Österreich und EUR 5’000 auf die Niederlande entfallen.

  • Lösung: Der Händler muss in Deutschland die Mehrwertsteuer auf seine Lieferungen an Kunden in Deutschland abführen. Hier schuldet er die Mehrwertsteuer zum in Deutschland gültigen MWST-Satz. Für Lieferungen an Kunden Österreich und den Niederlanden schuldet er die Mehrwertsteuer zum jeweils in Österreich bzw. den Niederlanden gültigen Satz. Der Händler hat die Wahl, sich in Österreich und den Niederlanden zusätzlich mehrwertsteuerlich registrieren zu lassen. Oder er kann sich in Deutschland für den OSS registrieren, um seinen Melde- und Abrechnungspflichten in Österreich und den Niederlanden nachzukommen. Kunden in weiteren Mitgliedstaaten können später ebenfalls über den OSS gemeldet und abgerechnet werden.

Ware aus dem Drittland in die EU liefern: der Import One Stop Shop

Wie Fernverkäufe innerhalb der EU unterliegen auch Fernverkäufe aus einem Drittland der Mehrwertsteuer zu dem MWST-Satz, der in dem Land des Kunden anwendbar ist. Bis zu einem Warenwert von EUR 150 haben Händler die Möglichkeit, die entsprechenden Fernverkäufe über den sogenannten Import One Stop Shop (IOSS) abzuwickeln.

Wird auf die Anwendung des IOSS verzichtet, kann ein Sonderregelung zur Anwendung kommen, wonach die Einfuhrsteuer durch den Spediteur direkt beim jeweiligen Kunden kassiert wird. Regelmässig stellen Spediteure ihre Verzollungs-Leistungen den Kunden zusätzlich in Rechnung – so dass dieses Vorgehen aus Kundensicht teuer und wenig transparent scheint.

Schliesslich besteht die Möglichkeit, dass der Fernverkäufer sich in den jeweiligen Mitgliedsstaaten seiner Kunden registriert und seine Lieferungen selbst gegenüber den nationalen Steuerbehörden abrechnet.

  • Beispiel: Ein Schweizer Händler verkauft über seinen Webshop Pokémon Sammelkarten ab Lager in der Schweiz an Konsumenten in Österreich, Deutschland und den Niederlanden. Der Warenwert der einzelnen Sendungen liegt zwischen EUR 45 und EUR 85. 
  • Lösung: Der Händler kann sich für den IOSS anmelden (hierfür hat er einen in der EU ansässigen Vertreter zu benennen). Die Warenlieferungen sind von der Einfuhrsteuer befreit, die nationale MWST in Österreich, Deutschland und den Niederlanden wird über den IOSS gemeldet und abgerechnet.

    Alternativ hat der Händler die Möglichkeit, die «Sonderregelungen bei der Einfuhr von Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 Euro» (so die Bezeichnung im entsprechenden § 21a des deutschen Umsatzsteuergesetzes) anzuwenden. In diesem Fall vereinnahmt der Spediteur die Steuer (und allfällige Bearbeitungszuschläge) direkt beim Kunden.

    Drittens besteht noch die Möglichkeit für den Schweizer Händler, sich in Österreich, Deutschland und den Niederlanden mehrwertsteuerlich zu registrieren und die MWST lokal abzurechnen

Plattformbesteuerung

Sonderregelungen gelten in der EU seit einigen Jahren für Fernverkäufe, die über sog. „elektronische Schnittstellen“ angebahnt oder abgewickelt werden, sofern die Ware innerhalb der EU versendet wird und der Verkäufer selbst Drittländer ist. Als elektronische Schnittstelle gelten etwa ein elektronischer Marktplatz oder eine elektronische Plattform, die es Käufer und Verkäufer ermöglicht, in Kontakt zu treten, woraus eine Lieferung von Gegenständen an diesen Leistungsempfänger resultiert (beispielsweise Amazon Marketplace, ebay oder Alibaba).

  • Beispiel: Ein Schweizer Händler vertreibt über einen von einem Dritten betriebenen Online-Marktplatz Pokémon Sammelkarten ab einem Lager in Deutschland. Kunden sind Privatpersonen in Deutschland, Österreich und den Niederlanden. 

In Fällen, in denen eine elektronische Schnittstelle in diesem Sinne in die Lieferkette  einbezogen wird, kommt es zu einer sog. „Lieferkettenfiktion“: Während tatsächlich lediglich ein einziges Verkaufsgeschäft vorliegt, werden für umsatzsteuerliche Zwecke zwei Lieferungen fingiert, indem eine (erste) Lieferung von dem Unternehmer an den Betreiber der elektronischen Schnittstelle sowie eine (zweite) Lieferung von dem Betreiber der elektronischen Schnittstelle an den Enderwerber angenommen werden. Die fingierte Lieferung des nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässigen Onlinehändlers an den Betreiber der elektronischen Schnittstelle ist von der MWST befreit. Die Lieferung der elektronischen Schnittstelle an den Endkunden folgt den allgemeinen Grundsätzen für Fernverkäufe.

  • Beispiel: wie vor.
  • Lösung: Es kommt zu einer Lieferkettenfiktion, bei der eine Lieferung des Schweizer Händlers an den Betreiber des Online-Marktplatzes und von dem Betreiber des Online-Marktplatzes an den Endkunden fingiert wird. Die Lieferung des Schweizer Händlers an den Betreiber des Online-Marktplatzes ist von der MWST befreit. Die Lieferung des Betreibers des Online-Marktplatzes an den Endkunden unterliegt der MWST zu dem MWST-Satz, der in dem Land Anwendung findet, in dem der Endkunde ansässig ist.

Fazit

Dropshipping und andere moderne Vertriebskanäle bieten verlockende Möglichkeiten, neue Einkommensquellen zu erschliessen. Dabei ist es unerlässlich, von Beginn an die (mehrwert-) steuerlichen Folgen zu berücksichtigen. Wer wartet, bis sein Geschäft eine kritische Grösse erreicht hat, läuft seinen eigenen Versäumnissen aus der Vergangenheit hinterher. Mit einem klugen Setup lassen sich das Geschäft ohne grössere Risiken skalieren und der administrative Aufwand in vertretbarem Rahmen halten.