Unternehmer in der Schweiz sehen sich im Bereich der Mehrwertsteuer meist einer pragmatischen Steuerverwaltung gegenüber, die ihr Handeln eher an Sinn und Zweck einer Regelung orientiert als an rein formalistischen Vorgaben. Drei jüngere Beispiele aus der deutschen Rechtsprechung zeigen, dass die Unternehmer regelmässig auf weniger Verständnis bei formellen Fehlern hoffen dürfen, sobald sie sich (mehrwertsteuerlich) im EU-Raum bewegen. Deutschland bietet sich als starker Handelspartner für Schweizer Firmen als Beispiel an. Dabei sind insbesondere die Länder im Osten und Süden der EU keineswegs weniger streng als der unmittelbare Nachbar im Norden. Die Konsequenzen können angesichts eines durchschnittlichen Steuersatzes im EU-Raum von über 20% gravierend sein.
  • Mehrwertsteuerlich «richtige» Rechnungen und Recht auf Vorsteuerabzug

In dem ersten hier beispielhaft vorgestellten Fall (Bundesfinanzhof, Urteil vom 7.7.2022, V R 33/20) ging es um die Frage der rückwirkenden Rechnungsberichtigung. Dabei ist zu beachten, dass nach den europarechtlichen Vorgaben das Recht zum Vorsteuerabzug zum Zeitpunkt der Leistungserbringung und in Höhe der geschuldeten Steuer entsteht – dass die Steuer auch gezahlt wurde, ist (anders als in der Schweiz) nicht massgeblich. Allerdings ist Voraussetzung für die Ausübung des Vorsteuerabzugsrechts der Besitz einer ordnungsgemässen Rechnung.

Nach Auffassung der deutschen Finanzverwaltung und der Rechtsprechung kann eine Rechnung nur dann rückwirkend berichtigt werden, wenn das zu berichtigende Dokument fünf wesentliche Merkmale (Rechnungsaussteller, Leistungsempfänger, Leistungsbeschreibung, Entgelt und gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer) enthält. Bei Fehlen eines dieser Elemente fehlt es demnach bereits an einer Rechnung im mehrwertsteuerlichen Sinne. Dabei war es bis anhin für die Qualifikation als Rechnung im mehrwertsteuerlichen Sinne nicht schädlich, wenn die Merkmale inhaltlich fehlerhaft waren (die Rechnung war dann zwar nicht richtig, aber stellte zumindest ein auch rückwirkend berichtigungsfähiges Rechnungsdokument dar). In dem hier entschiedenen Fall kam die leistende Partei irrtümlich zu dem Schluss, die Leistungsempfängerin sei im Ausland ansässig und die Leistung unterliege in Deutschland daher nicht der Mehrwertsteuer. Entsprechend rechnete sie mit «Umsatzsteuer 0%» ab. Im Rahmen einer Betriebsprüfung stellte sich später heraus, dass die Leistungsempfängerin in Deutschland ansässig war und mit deutscher Umsatzsteuer hätte abgerechnet werden müssen.

Nach Ansicht des Gerichts war das Dokument aber mangels gesondert ausgewiesener Steuer so fehlerhaft, dass es keine Rechnung mehr darstellte und die Berichtigung keine Rückwirkung auf den Vorsteuerabzug hat.

  • Nachweis der Voraussetzungen einer steuerbefreiten innergemeinschaftlichen Lieferung I

In einem älteren Urteil (Bundesfinanzhof, Urteil vom 22.7.2015, V R 23/14) befasst sich der BFH mit den Voraussetzungen, unter denen der Nachweis gelingt, dass Waren im Rahmen einer steuerbefreiten innergemeinschaftlichen Lieferung tatsächlich das Hoheitsgebiet des einen Mitgliedsstaats verlassen und in das Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedsstaats gelangt sind. Und wieder ging es um die Frage einer richtigen bzw. hinreichenden Ortsbestimmung.

Im zugrunde liegenden Fall hatte der Abnehmer dem Lieferanten bei Abholung der Ware schriftlich bestätigt: «Das Fahrzeug wird am … von mir in das Zielland Spanien verbracht.» Dies war den deutschen Finanzbehörden allerdings nicht hinreichend präzise genug, weil der konkrete (!) Bestimmungsort nicht genannt sei und nicht ohne Weiteres mit der Unternehmensanschrift des Abnehmers gleichgesetzt werden könne.

Wiederum schliesst sich der BFH der Auffassung der Verwaltung an – und versagt mithin die Steuerbefreiung für die innergemeinschaftliche Lieferung. Und wiederum betont der BFH, dass sich vorliegend die Frage nach Gutglaubensschutz nicht stellte, da es an der formellen Vollständigkeit fehle (geschützt werden könne allenfalls der gute Glaube an die inhaltliche Richtigkeit).

  • Nachweis der Voraussetzungen einer steuerbefreiten innergemeinschaftlichen Lieferung II

Auch in dem letzten hier kurz vorgestellten Beispiel (BFH, Urteil vom 19.3.2015, V R 14/14) befasst sich der BFH mit den Voraussetzungen des Nachweises der Voraussetzungen innergemeinschaftlicher Lieferungen. Und wieder fällt die Entscheidung zuungunsten der Steuerpflichtigen aus.

Streitgegenständlich war die Frage, ob dem Kläger der Nachweis gelungen war, dass alle Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung vorlagen. Insbesondere ging es dabei um die Frage, ob eine Zeugenaussage als taugliches Beweismittel geeignet sei, das Vorliegen der Voraussetzungen innergemeinschaftlicher Lieferungen zum Zeitpunkt der Lieferung zu bestätigen. Die Vorinstanz verneinte dies und sah den Nachweis als nicht erbracht an.

Diese Ansicht teilt der BFH. Der Gesetzgeber habe festgestellt, dass der Nachweis durch entsprechende Buch- und Belegnachweise zu erbringen sei. Nur in krassen Ausnahmefällen, in denen der Formalbeweis ausnahmsweise nicht oder nicht zumutbar geführt werden könne, gebiete es das Verhältnismässigkeitsprinzip, den Nachweis auch in anderer Form zuzulassen. Da ein solcher Ausnahmefall vorliegend nicht erkannt wurde, bestätigte der BFH die Versagung der Steuerbefreiung für die streitgegenständliche innergemeinschaftliche Lieferung.

  • Fazit

Die Beispiele machen deutlich, dass die deutschen Finanzbehörden (aber auch Finanzbehörden in anderen EUMitgliedsstaaten) hohe Anforderungen in Bezug auf formelle Erfordernisse an die Unternehmer stellen. Die «gute» Nachricht für die Unternehmer ist, dass sie Gegenmassnahmen ergreifen können (aber auch müssen), denn die formellen Voraussetzungen sind regelmässig klar in den entsprechenden Gesetzen vorgegeben. Es empfiehlt sich daher für Unternehmer, die im EU-Raum Handel treiben und Leistungen erbringen oder beziehen, frühzeitig interne Prozesse, Kontrollen und/oder Checklisten zu etablieren, die sicherstellen, dass z. B. Eingangsrechnungen (auch) auf formelle Richtigkeit geprüft werden und bei eigenen, allenfalls steuerbefreiten Leistungen alle erforderlichen Nachweise in der vorgeschriebenen Form vorliegen.

Die ESTV hat aufgrund der Beurteilung neuer Sachverhalte sowie infolge, des Entscheids des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. August 2021 (A 2587/2020) eine erstmalige Praxisfestle-gung zu Gutscheinen veröffentlicht. Noch handelt es sich bei der Praxisfestlegung und den daraus folgenden Anpassungen in den MWST-Infos 04, Steuerobjekt, 07, Steuerbemessung und Steuersätze sowie MWST-Branchen Info 06, Detailhandel und 10, Transportunternehmen des öffentlichen und des touristischen Verkehrs um einen Entwurf. Allerdings ist die Frist zur Stellungnahme abgeschlossen, sodass keine grossen Änderungen mehr zu erwarten sind. Im Wesentlichen führt die Praxisfestlegung eine Unterscheidung zwischen Leistungs- und Wert-gutscheinen ein, die jeweils eine andere MWST-liche Behandlung erfahren. Neben der Be-kanntgabe einer Definition der Gutscheinkategorien hat die ESTV bei der Überarbeitung insbe-sondere der MWST-Info 04, Steuerobjekt, diverse Beispiele eingefügt, die dem Steuerpflichti-gen helfen sollen, zwischen Leistungs- und Wertgutschein zu unterscheiden.
  • URTEIL DES BUNDESVERWALTUNGSGERICHTES VOM 10. AUGUST 2023 (A-2587/2020)

Im zu beurteilenden Fall hatte die Steuerpflichtige Gutscheine für Outdoor-Events verkauft. Be-züglich der MWST war die Steuerpflichtige der bis dahin geltenden Praxis der ESTV gefolgt, wonach der Verkauf eines Gutscheines, weitgehend unabhängig von dessen konkreter Ausge-staltung, mehrwertsteuerlich irrelevant war. Erst die Einlösung desselben führte grundsätzlich zu einem mehrwertsteuerlich relevanten Leistungsaustausch, der entsprechend den üblichen Re-geln zu versteuern ist. Neu machte die ESTV geltend, je nach Ausgestaltung der Gutscheine seien die MWST-Konsequenzen unterschiedlich und es sei zwischen Leistungs- und Wertgut-scheinen zu unterscheiden. Tatsächlich standen dem Kunden die Folgenden Gutscheinarten zur Auswahl:

  • In der ersten Variante erhielt der Kunde nach Bezahlung einen Gutschein, mit dem er zu einem späteren Zeitpunkt im Umfang des auf dem Gutschein genannten Geldbetrages eine beliebige Leistung bei der Beschwerdeführerin beziehen konnte. Diese Art des Gutscheins sei als sog. „Wertgutschein“ im Einklang mit der bekannten Praxis als Zah-lungsmittel zu sehen, dessen Ausgabe für die MWST irrelevant sei und der erst bei sei-ner Einlösung zu einem MWST-relevanten Umsatz führe.
  • In der zweiten Variante erhielt der Kunde einen Gutschein, mit dem er gegen Einlösung desselben zu einem späteren Zeitpunkt die auf dem Gutschein an der genannten Aktivi-tät an einem bereits bestimmten Ort teilnehmen konnte. Diese Art des Gutscheines qualifiziere als sog. „Leistungsgutschein“, bei dem bereits die Ausgaben zu einem MWST-relevanten Umsatz führe. Da die Leistung bereits bestimmt (oder zumindest bestimmbar) sei, handle es sich bei der Bezahlung um eine Vorauszahlung, die gestützt auf das MWSTG bereits anlässlich der Vereinnahmung zu versteuern sei.

    Das Bundesverwaltungsgericht folgte diesbezüglich der Argumentation der ESTV mit der Folge, dass neu für die korrekte Handhabung der MWST zwischen den beiden Gutscheinarten zu unterscheiden ist. Ein Unterscheidungsmerkmal sei insbesondere auch darin zu sehen, welche der Parteien, der Leistungsempfänger oder -erbringer, das Preisrisiko trägt. Wird es vom Leistungserbringer getragen, liegt ein Leistungsgutschein vor. Wird das Preisrisiko hingegen vom Leistungsempfänger getragen, spricht dies für das Vorliegen eines Wertgutscheins.

    DEFINITIONEN, MEHRWERTSTEUERLICHE FOLGEN UND BEISPIELE

    Vor diesem Hintergrund hat die ESTV am 31. August 2023 ihre diesbezügliche Praxis im Entwurf publiziert. Danach gelten folgende Definitionen und mehrwertsteuerlichen Folgen:

    Der Definition der ESTV folgend berechtigen Gutscheine im Allgemeinen zum Bezug von Dienstleistungen und Lieferungen. Dabei können sie in physischer oder elektronischer Form herausgegeben werden. Dabei ist zu beachten, dass die ESTV Rabattgutscheine oder Fahrkar-ten für den öffentlichen Verkehr, Eintrittskarten oder Briefmarken explizit nicht als Gutscheine im vorgenannten Sinne verstanden wissen möchte.

    Im Einklang mit dem oben genannten Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes ist neu zwischen Wert- und Leistungsgutscheinen zu unterscheiden, wobei die ESTV das vom Bundesverwaltungsgericht angeführte Unterscheidungsmerkmal zur Frage, wer das Preisrisiko trägt, nicht weiter aufgreift. Vielmehr gilt dass ein Wertgutschein vorliegt, wenn auf dem Gutschein lediglich ein Wert angegeben oder elektronisch hinterlegt ist und mit dem eine beliebige Leistung in Höhe des Geldbetrages bezogen werden kann. Wertgutscheine sind als Zahlungsmittel zu behandeln, da beim Verkauf keine Leistung erbracht und (technisch) kein Entgelt vereinnahmt wird, es liegen lediglich Mittelflüsse vor. Somit fliessen Zahlungen für Wertgutscheine nicht in die Bemessungsgrundlage für die MWST. Bedingung ist allerdings, dass auf dem Gutschein kein Steuersatz ausgewiesen wird (ansonsten gilt der Grundsatz „Fakturierte Steuer ist geschuldete Steuer“).

    Interessant ist an dieser Stelle, dass im Falle des gewerbsmässigen Handels mit Wertgutscheinen dennoch ein Leistungsaustausch angenommen wird: diesfalls liegt ausgenommener Umsatz im Bereich des Geld- und Kapitalverkehrs vor. Eine Begründung für diese Umqualifizierung der MWST-Folgen je nachdem, ob gewerbsmässig damit gehandelt wird oder nicht, bleibt die ESTV schuldig genauso wie die Antwort auf die Frage, welcher Handel mit Wertgutscheinen durch Unternehmen allenfalls als nicht gewerbsmässig qualifizieren könnte. Fest steht: liegt keine Entgeltlichkeit vor, haben entsprechende Mittelflüsse keinen Einfluss auf die Berechtigung zum Vorsteuerabzug. Liegen hingegen ausgenommene Umsätze vor, muss der Vorsteuerabzug entsprechend korrigiert werden. Die Frage ist im Einzelfall demnach durchaus relevant und es ist nicht auszuschliessen, dass Gerichte sie werden klären müssen.

    Ein Leistungsgutschein liegt hingegen vor, wenn auf dem Gutschein eine bestimmte oder be-stimmbare Leistung angegeben ist. Der Kunde hat die Wahl, wann der Gutschein eingelöst wer-den kann, nicht aber für welche Leistung. Das Vorhandensein einer Wertangabe auf dem Gut-schein ändert an dieser Qualifikation nichts.

    Eine Leistung gilt als bestimmt oder bestimmbar, wenn der Leistungserbringer bereits beim Ver-kauf des Gutscheins aufgrund der Art der Leistung feststellen kann, wo und in welcher Höhe die Steuer geschuldet und abgerechnet wird. In diesem Fall gilt die Vereinnahmung des Kaufpreises als Vorauszahlung und die Steuer wird zum Zeitpunkt der Vereinnahmung fällig. Wird der Gutschein nicht eingelöst oder verfällt er, ist eine Korrektur als Entgeltminderung möglich, wenn das Entgelt erstattet wird oder der Leistungsempfänger auf die Rückerstattung des Entgelts verzichtet.

    Im Falle des Leistungsgutscheines weist die ESTV darauf hin, dass die Steuer in jener Periode abzurechnen und zu entrichten ist, in welcher die Vereinnahmung des Kaufpreises erfolgt. Be-zügilch des anzuwendenden Steuersatzes ist vor dem Hintergrund der zum 1. Januar 2024 in Kraft tretenden Steuersatzänderungen zu beachten, dass derjenige Steuersatz massgebend ist, der im Zeitpunkt der Leistungserbringung gilt (vgl. hierzu auch unseren Blogbeitrag vom 09.08.2023) Im Falle von Leistungsgutscheinen erfolgt die Leistungserbringung erst anlässlich der Einlösung. Da der Kunde gerade bei Gutscheinen mit längerer Gültigkeitsdauer alleine dar-über entscheidet, wann die Einlösung erfolgt, kann der Leistungserbringer im Falle einer jahres-übergreifenden Gültigkeitsdauer nicht wissen, wann er die Leistung letztendlich erbringen wird. In solchen Fällen dürfte ausnahmsweise der Steuersatz im Zeitpunkt des Verkaufs massgebend sein, eine allfällige nachträgliche Korrektur erübrigt sich.

    Im Weiteren führt die ESTV verschiedene Beispiele auf. Hervorzuheben ist dabei, dass die ESTV auch dann von einem Leistungsgutschein ausgeht, sofern der Kunde den Gutschein gemäss den AGB des Leistungserbringers (und ohne weiteren Hinweis auf dem Gutschein) auch für eine andere als die auf dem Gutschein genannte Leistung einlösen kann. Von einem Wertgutschein ist hingegen auszugehen, wenn auf dem Gutschein selbst optional die Einlösung für eine andere Leistung ermöglicht wird. Damit will die ESTV mutmasslich verhindern, dass Leistungserbringer aufgrund von Klauseln in den AGB unkompliziert aus allen von ihnen vertriebenen Gutscheinen Leistungsgutscheine machen können, um so gegebenenfalls die Vorsteuerkorrektur zu umgehen, die notwendig ist, sofern gewerblich Wertgutscheine vertrieben werden (dazu siehe die Ausführungen weiter oben).

    PARALELLEN ZUR REGELUNG IN DER EU

    In der EU wird zwischen Einzweck- und Mehrzweckgutschein unterschieden. Ein Einzweck-Gutschein liegt vor, wenn der anwendbare Steuersatz im Zeitpunkt der Ausgabe bestimmt wer-den kann, weil die bei der Einlösung zu erbringende Leistung bereits bestimmt oder bestimmbar ist. Die Steuerschuld entsteht bei Einzweck-Gutscheinen im Zeitpunkt der Ausgabe. Mehr-zweckgutscheine hingegen sind Gutscheine, bei denen die Gegenleistung noch nicht eindeutig festgelegt ist und darum der letztlich anzuwendende Steuersatz im Zeitpunkt der Ausgabe noch nicht feststeht Folgerichtig entsteht die Steuerschuld erst anlässlich der Einlösung.
    Die Begriffe und Definitionen sind zwar nicht deckungsgleich, dennoch sind die Parallelen zu erkennen. So entspricht der Wertgutschein wohl weitgehend dem Mehrzweck-Gutschein, der Leistungsgutschein dem Einzweck-Gutschein. Inwieweit hier aber in der Praxis bzw. anlässlich der Beurteilung von einzelnen Fällen tatsächlich Deckungsgleichheit besteht, wird sich noch erweisen müssen.

    • FAZIT
  • Es ist erfreulich, dass die ESTV im Nachgang zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts nun ihre Neubeurteilung der Praxis zu Gutscheinen publiziert hat und dabei mit Beispielen arbeitet. Dennoch bleiben die ein oder anderen Fragen offen und es bleibt abzuwarten, wie sich die von der ESTV ausgearbeiteten Regeln in der Praxis bewähren werden. Anbietern von Gutscheinen wird empfohlen, sich mit ihnen vertraut zu machen um deren Einhaltung sicherzustellen. Im Einzelfall kann es angezeigt sein, den Rat eines Experten beizuziehen.

    Blockchainbasierte Anwendungen erfreuen sich zunehmender Beliebtheit. Zugleich herrscht noch Ungewissheit bei der mehrwertsteuerlichen Behandlung relevanter technologiespezifischer Transaktionen, wie beispielsweise den Validierungs- resp. Verifizierungstätigkeiten sog. Validatoren. In einem aktuellen Urteil bezieht das Bundesverwaltungsgericht (BVG) erstmals Stellung hierzu.
    Hintergrund

    Der vom BVG zu entscheidende Rechtsstreit betraf Validierungs- resp. Verifizierungstätigkeiten in den Blockchain-Netzwerken Polkadot (mit dem nativen Token «DOT») und Kusama (mit dem nativen Token «KSM»). Die Steuerpflichtige erbrachte mittels Soft- und Hardware als sog. «Validator» Validierungs- resp. Verifizierungstätigkeiten in den vorgenannten Blockchain-Netzwerken, die auf dem Proof-of-Stake Konzept beruhen. Für ihre Tätigkeiten als Validator erhielt die Steuerpflichtige vom Protokoll neu geschaffene sog. Block-Rewards sowie einen Anteil an den von den Versendern aufgewandten Transaktionsgebühren.

    Eine MWST-Kontrolle der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) führte zu einer Aufrechnung im Zusammenhang mit diesen Aktivitäten.

    Die ESTV begründete die Steueraufrechnungen damit, dass die Validierungs- resp. Verifizierungstätigkeiten der Steuerpflichtigen zusammen eine steuerbare elektronische Dienstleistung nach dem Empfängerortsprinzip darstellten, wenn die Steuerpflichtige neben dem Block-Reward auch eine Transaktionsgebühr erhält, welche vom Versender resp. von den Versendern mit Sitz im Inland für eine bestimmte Transaktion über das Netzwerk bezahlt wird. Diesfalls bestünde ein steuerbares Leistungsverhältnis zwischen dem Versender als Leistungsempfänger und der Steuerpflichtigen als Leistungserbringerin, welches der Inlandsteuer zum Normalsatz unterliege. Das Entgelt für die Validierungs- resp. Verifizierungstätigkeiten bemesse sich am Block-Reward und der Transaktionsgebühr.

    Würdigung durch das BVG

    Die Urteilsbegründung des BVG äussert sich zu einigen grundlegenden Fragen.

    Netzwerk und Versender als Empfänger der Leistungen der Validatoren

    Das BVG befasst sich zunächst mit der Frage nach dem Leistungsempfänger der von den Validatoren erbrachten Leistungen.

    Es stellt fest, dass Validatoren im hier gegenständlichen Blockchain-Netzwerk einerseits Leistungen erbringen, für die das Netzwerk selbst als Leistungsempfänger anzusehen sei. Begründet wird dies u.a. damit, dass die Validatoren (mindestens theoretisch) auch Blöcke erstellen können, die keine Transaktionen beinhalten. Auch für die Erstellung solcher leeren Blöcke erhielten die Validatoren die entsprechende vom Netzwerk ausgelobte Belohnung (E 3.4.2.2).

    Andererseits kämen die Aktivitäten der Validatoren nach Ansicht des Gerichts unmittelbar den Ver-sendern zugute und diese seien daher als Leistungsempfänger anzusehen. Das Gericht widerspricht damit der Auffassung der ESTV, wonach nur die Versender als Leistungsempfänger anzusehen seien.

    Dezentrale Netzwerke keine Leistungsempfänger im Sinne der MWST

    Sodann befasst sich das Gericht mit der Frage, ob eine hinter dem Netzwerk stehende Netzwerk-Gesellschaft eigentliche Leistungsempfängerin der Leistungen an das Netzwerk sei.

    Bei den beiden hier betroffenen Netzwerken handelt es sich nach Ansicht des BVG um «echte» dezentrale Netzwerke, in denen die Protokollgesellschaft keine alleinige Verfügungsmacht habe. An der alleinigen Verfügungsmacht fehle es, soweit alle Änderungen am Protokoll per Stake-gewichteter Abstimmung unter den Netzwerkteilnehmern beschlossen werden und die jeweilige Protokollgesellschaft selbst nicht über genügend Token verfüge, um Protokoll-Änderungen gegen den Willen der übrigen Netzwerkteilnehmer durchsetzen zu können (E 3.4.2.3). Es sei unstrittig, dass bei Leistungen, die ausschliesslich an ein dezentrales Blockchain-Netzwerk als solches erbracht werden, mangels zuordenbarem Leistungsempfänger keine Leistungen im mehrwertsteuerrechtlichen Sinn gegeben sein können (E 3.2). Diese Tätigkeiten fielen demnach nicht in den Anwendungsbereich der Schweizer Mehrwertsteuer.

    Somit sei lediglich die Transaktionsverarbeitung dem Versender einer Transaktion als Leistungsemp-fänger zuzuordnen (E 3.4.3.4).

    Transaktionsverarbeitung = steuerbare, dem Empfängerortsprinzip unterliegende Dienstleistung

    Diese Transaktionsverarbeitung stelle nach Ansicht des Gerichts eine grundsätzlich steuerbare, dem Empfängerortsprinzip unterliegende Dienstleistung dar, für die der Validator die Transaktionsgebühr erhalte (E 3.5.3). Dies ändere jedoch nichts an der Qualifikation der (vom Protokoll zugeteilten) Block-Rewards als Nicht-Entgelt (E 3.4.4).

    FAZIT

    Das Urteil bringt Klarheit hinsichtlich der grundsätzlichen mehrwertsteuerlichen Behandlung bestimmter Aktivitäten von Validatoren.

    Im Detail unerörtert (da nicht streitgegenständlich) bleiben aber beispielsweise Fragen im Zusammenhang mit der Bemessungsgrundlage in Bezug auf die Transaktionsgebühren für die Leistungen der Validatoren.

    Zu beachten ist auch, dass sich das Urteil naturgemäss mit einem konkreten Sachverhalt in einer spe-zifischen Umgebung auseinandersetzte. Da in der Blockchain-Welt nur selten zwei Anwendungen identisch sind, ist es dringend geboten, die entsprechenden Sachverhalte gründlich zu analysieren und zu prüfen, wo allenfalls Abweichungen oder Parallelen zum hier entschiedenen Fall bestehen.

    Nicht zuletzt bleibt abzuwarten, ob das Urteil an das Bundesgericht weitergezogen wird.

    Wir beobachten die weiteren Entwicklungen für Sie. Sprechen Sie uns in der Zwischenzeit gerne an, wenn wir Sie bei ihrer geschäftlichen Vorhaben unterstützen können

    Der Bundesrat hat am 24. September 2021 die Botschaft zu einer Teilrevision des MWSTG verabschiedet. Das Parlament hat die Teilrevision des MWSTG am 16. Juni 2023 angenommen. Aus heutiger Sicht ist davon auszugehen, dass die Änderungen per 1. Januar 2025 in Kraft treten.

    Die geplanten Änderungen betreffen insbesondere die folgenden Bereiche (nicht abschliessende Aufzählung):

    1. Elektronische Plattformen („Plattformbesteuerung“)
    2. Leistungen von Reisebüros
    3. Subventionen
    4. Handel mit Emissions- und vergleichbaren Rechten
    5. Administrative Massnahmen (Abrechnungsperiode, Fiskalvertretung)
    6. Anwendbarkeit des reduzierten Steuersatzes und Steuerausnahmen

    Nachstehend fassen wir wesentliche Aspekte der geplanten Änderungen kurz zusammen. Gerne erörtern wir mit Ihnen im Detail, wie Sie die Änderungen im konkreten Einzelfall betreffen.

    1. Elektronische Plattformen („Plattformbesteuerung“)
    2. In Zukunft gilt die elektronische Plattform grundsätzlich selbst als leistende Person für Lieferungen, die Verkäufer und Käufer über sie abschliessen: Es wird mithin ein Reihengeschäft fingiert zwischen Verkäufer, elektronischer Plattform und Kunde.

      Dienstleistungen fallen nicht in den Anwendungsbereich der Neuregelung zur Plattformbesteuerung.

      Stammen die im Inland gelieferten Gegenstände aus dem Ausland, so gilt die Lieferung als im Inland von der Plattform erbracht, wenn diese mit der Lieferung von einfuhrsteuerbefreiten Kleinsendungen mindestens 100 000 Franken pro Jahr erzielt (Art. 7 Abs. 3 Bst. b MWSTG; sog. «Versandhandelsregelung»). In diesem Fall wird die ausländische Plattform in der Schweiz steuerpflichtig.

      Kommt die elektronische Plattform ihren mehrwertsteuerlichen Pflichten in der Schweiz nicht nach, kann die ESTV administrative Massnahmen gegen sie anordnen, die bis hin zu Einfuhrverboten und der entschädigungslosen Vernichtung von Ware reichen. Die Namen der elektronischen Plattformen, gegen die solche Massnahmen festgelegt wurden, werden von der ESTV öffentlich gemacht.

      Die Anwendung der Plattformbesteuerung ist an eine Reihe von Voraussetzungen ge­knüpft, die es erforderlich machen, die konkreten Transaktionen im Einzelfall zu prüfen und unter die Neuregelung zu subsumieren.

    3. Leistungen von Reisebüros
    4. Künftig gelten alle von Reisebüros im eigenen Namen erbrachten Dienstleistungen als Leistungen, die am Erbringerort zu versteuern sind. Einer Unterscheidung zwischen vom Reisebüro im eigenen Namen erbrachten Beherbergungs-, Verpflegungs- oder Beförderungsleistungen, die am Ort der tatsächlichen Leistungserbringung zu versteuern sind, bedarf es somit nicht mehr.

      Die Leistungen von Reisebüros sind von der Steuer befreit (berechtigen also grundsätzlich zum Vorsteuerabzug), wenn sie tatsächlich im Ausland bewirkt werden oder wenn es sich um eine Leistung handelt, die gemäss Artikel 23 Abs. 2 MWSTG von der Steuer befreit wäre, wenn sie nicht von einem Reisebüro erbracht würde. Neu fallen auch eigene Leistungen der Reisebüros darunter wie beispielweise die Reiseleitung.

      Ausländische Reisebüros oder Tour Operators werden infolge der Neuregelung im Inland nicht mehr steuerpflichtig, wenn sie Reisen in die Schweiz organisieren. Sie können im Gegenzug die Vorsteuer auf im Inland bezogenen Leistungen nicht zurückfordern. Inländische Reisebüros und Tour Operators müssen solche Inland-Reisen hingegen voll versteuern.

    5. Subventionen
    6. In das Gesetz wird neu eine gesetzliche Fiktion aufgenommen, wonach von einem Gemeinwesen ausgerichtete Mittel mehrwertsteuerrechtlich als Subvention oder öffentlich-rechtlicher Beitrag gelten, sofern das Gemeinwesen diese Mittel der empfangenden Person gegenüber ausdrücklich als Subvention oder öffentlich-rechtlichen Beitrag bezeichnet.

      Subventionen gelten als Nicht-Entgelte, die nicht der MWST unterliegen, aber auf Stufe des Subventionsempfängers eine Kürzung des Vorsteuerabzugs erforderlich machen, Art. 18 Abs. 2 Bst. a in Verbindung mit Art. 33 MWSTG.

    7. Handel mit Emissions- und vergleichbaren Rechten
    8. Neu werden die Übertragung von Emissionsrechten, Zertifikaten und Bescheinigungen für Emissionsverminderungen, Herkunftsnachweisen für Elektrizität und ähnlichen Rechten, Bescheinigungen und Zertifikaten unabhängig davon, ob die leistende Partei in der Schweiz mehrwertsteuerlich registriert ist oder nicht der Bezugsteuer unterliegen, Art. 45 Abs. 1 Bst. e E-MWSTG.

      Derzeit noch unklar ist, ob in der Mehrwertsteuerverordnung übergangsweise bis zum Inkrafttreten des teilrevidierten MWSTG die Voraussetzung für die Anwendung des Meldeverfahrens zur Abrechnung über entsprechende Handelsgeschäfte geschaffen wird.

    9. Administrative Massnahmen (Abrechnungsperiode, Fiskalvertretung)
    10. Steuerpflichtige mit einem Umsatz von nicht mehr als 5’005’000 Franken pro Jahr aus steuerbaren Leistungen erhalten inskünftig die Möglichkeit, auf Antrag ihre MWST jährlich abzurechnen. Die Anwendung der jährlichen Abrechnung ändert nichts an der Abrechnungsmethode. Auch bei der jährlichen Abrechnung wird also entweder effektiv oder – wenn eine entsprechende Bewilligung vorliegt – mit Saldosteuersätzen oder Pauschalsteuersätzen abgerechnet.

      Gemäss Art. 86a E-MWSTG erfolgt bei der jährlichen Abrechnung ein provisorischer Steuerbezug mittels Raten, die von der ESTV festgelegt und viertel- oder halbjährlich (je nach Abrechnungsmethode) in Rechnung gestellt werden. Massgebend für die Festlegung der Raten ist die Steuerforderung der letzten Steuerperiode. Ist sie noch nicht bekannt, so wird sie von der ESTV geschätzt. Bei neu steuerpflichtigen Personen ist die bis zum Ende der ersten Steuerperiode erwartete Steuerforderung massgebend.

      Die ESTV kann zukünftig darauf verzichten, von ausländischen Unternehmungen die  Bestimmung einer inländischen Steuervertretung zu verlangen, sofern die Erfüllung der Verfahrenspflichten durch die steuerpflichtige Person und der rasche Vollzug dieses Gesetzes auf andere Weise gewährleistet sind, Art. 67 E-MWSTG.

      Die praktische Bedeutung dieser Gesetzesänderung wird abzuwarten sein, da die Zustellung von Dokumenten mit mehr als rein informativem Inhalt ins Ausland rechtlich sehr heikel und allenfalls gar strafrechtlich relevant sein kann. Sie kann daher faktisch nur auf dem (im Massenverfahren nicht praktikablen) diplomatischen Weg erfolgen, oder dort, wo dies in bilateralen Verträgen entsprechend geregelt ist.

    11. Anwendbarkeit des reduzierten Steuersatzes und Steuerausnahmen
    12. Für Produkte der Monatshygiene gilt zukünftig der reduzierte Steuersatz.

      Ausgenommen werden neu von der MWST:

      • Durch Reisebüros weiterverkauften Reiseleistungen und damit zusammenhängende Dienstleistungen
      • Aktive Teilnahme an kulturellen Veranstaltungen
      • Leistungen der koordinierten Versorgung bei Heilbehandlungen
      • Bereitstellen von Infrastruktur an Belegärzte in Ambulatorien und Tageskliniken
      • Betreuungs- und hauswirtschaftlichen Leistungen der privaten Spitex Zuverfügungstellen von Personal durch alle gemeinnützigen Organisationen
      • Anbieten und Verwalten von Anlagegruppen von Anlagestiftungen nach BVG

      FAZIT

      Die Teilrevision geht mit teils weitreichenden Änderungen einher. Abhängig von der jeweiligen Branche kann dies grundlegende Überlegungen zum aktuellen Setup der Steuerpflichtigen ratsam machen. In jedem Fall gilt es für die Steuerpflichtigen, frühzeitig zu verstehen, welche Auswirkungen die Teilrevision für sie hat oder haben kann. Wir unterstützen unsere Kunden gerne dabei, Risiken und Gestaltungsmöglichkeiten zu erkennen und bestmöglich für die Unternehmung zu planen.

    Beim Verkauf einer Liegenschaft, welche im Anschluss an den Eigen-tümerwechsel abgerissen wird, besteht die Gefahr, dass die Steuerbe-hörde für die Ermittlung des steuerbaren Grundstückgewinns nur den Landwert der letzten massgeblichen Handänderung oder Schätzung als Anlagekosten berücksichtigt.

    Stolperstein Kongruenzprinzip

    Mit der Grundstückgewinnsteuer soll der sogenannte „unverdiente Wertzuwachs“ beim Verkauf eines Grundstücks besteuert werden. Dies setzt voraus, dass dem Umfang und dem Inhalt nach das gleiche Grundstück veräussert wird, das seinerzeit erworben wurde. Es sind sogenannte vergleichbare Verhältnisse herzustellen, indem die während der Besitzdauer bzw. seit der vorangegangenen Veräusserung eingetretene Substanzveränderungen bei der Gewinnermittlung zu berücksichtigen sind. Die Wertsubstanz des betreffenden Grundstücks kann durch tatsächliche oder rechtliche Veränderungen vermehrt (Substanzvermehrung) oder vermindert (Substanzminderung) worden sein.

    Eine Substanzminderung kann entweder durch rechtliche oder tatsächliche Verschlechterung, Substanzabnahme des Grundstücks oder dessen flächenmässige Verkleinerung erfolgen. Die Ursache einer tatsächlichen Substanzabnahme kann jedoch nicht nur darin liegen, dass eine auf dem Grundstück erstellte Baute zerstört oder vernachlässigt worden ist, sondern auch daraus resultieren, dass das Gebäude aus wirtschaftlichen Überlegungen nicht mehr erhaltenswert ist, z.B. weil die Liegenschaft baulich zu wenig ausgenutzt ist und das bestehende Gebäude daher trotz seines guten Zustandes nicht rentabel ist. Wird eine solche Liegenschaft direkt nach dem Verkauf durch den neuen Eigentümer abgerissen, wird aus Sicht der Steuerverwaltung demzufolge effektiv unbebautes Land veräussert. Basierend darauf ist in Anwendung des Kongruenzprinzips für die Ermittlung des steuerbaren Grundstückgewinns der Erwerbspreis um den damaligen Wert des Gebäudes zu reduzieren, denn nur diejenigen liegenschaftlichen Werte, die mit dem Erlös (Kaufpreis) abgegolten werden sollen, sind bei der Gewinnermittlung als Anlagekosten zu berücksichtigen.

    Massgebend dafür, ob solche abgerissenen Bauten bei den Anlagekosten mitberücksichtigt werden, ist, ob diese Bauten in die Preisgestaltung miteingeflossen sind. Als Beweis wird grundsätzlich auf den öffentlich beurkundeten Kaufvertrag abgestellt. Zwar spricht eine Vermutung dafür, dass der Kaufpreis den Wert des Grundstücks mit all seinen Bestandteilen umfasst, wenn der Kaufvertrag keine Anhaltspunkte für oder gegen den Einschluss des Abbruchobjektes bei der Preisbildung enthält. Diese kann jedoch widerlegt werden, zum Beispiel anhand von Indizien, welche dafürsprechen, dass der Erwerber von vornherein den Abbruch (mit anschliessendem Neubau) beabsichtigt hat und deshalb nach der Lebenserfahrung nicht anzunehmen ist, dass dieser bereit gewesen wäre, auch für die Baute zu bezahlen.Auch das Mitwissen des Veräusserers darum, dass der Erwerber die Liegenschaft auf dem Grundstück unmittelbar nach dem Kauf abreissen und durch eine komplett neue Baute ersetzen will, kann als Indiz gegen den Einschluss der Baute in den Kaufpreis sprechen.

    Fazit

    Sind nicht sämtliche Werte Gegenstand der Kaufpreisbestimmung einer Liegenschaft, welche im Anschluss an den Eigentümerwechsel abgerissen wird, besteht die Gefahr einer hohen finanziellen Belastung durch die Grundstückgewinnsteuer. Es empfiehlt sich deshalb, bei der Ausgestaltung des Kaufvertrages zu beachten, dass sämtliche liegenschaftlichen Werte als Gegenstand der Kaufpreisbestimmung berücksichtigt und entsprechend aufgeführt sind.

    Bei Tauschgeschäften erfolgt die Bezahlung anstelle mit Geld grundsätzlich durch die Erbringung einer Gegenleistung bzw. die Verrechnung mit einer Gegenforderung. Solche tauschähnlichen Geschäfte sind in der Praxis ein gängiges Mittel, um gegenseitige Leistungen ohne Geldfluss zu auszugleichen. Aber Vorsicht, auch wenn kein Geld fliesst, ist die Mehrwertsteuer geschuldet und ordnungsgemäss abzuführen.

    Im Grundsatz gilt, dass Leistungen, die durch steuerpflichtige Personen im Inland gegen Entgelt erbracht werden, der Schweizer Mehrwertsteuer (MWST) unterliegen, sofern diese Leistungen nicht von der Steuer ausgenommen oder befreit sind.

    Als Entgelt versteht sich der Vermögenswert, den der Leistungsempfänger für den Erhalt einer Leistung aufwendet. Begleicht der Leistungsempfänger die Forderung des Leistungserbringers anders als durch Geldzahlung (z.B. durch Erbringung einer Leistung), bemisst sich das Entgelt nach dem Betrag, der dadurch ausgeglichen wird. Dies bedeutet, dass die beiden Vertragspartner den vollen Wert der eigenen Leistung (als Aufwand) und den vollen Wert der als Gegenleistung erhaltenen Leistung (als Ertrag) zu verbuchen haben. Beide Vertragspartner versteuern den Gesamtwert der vom anderen Vertragspartner erbrachten Leistung zum massgebenden Steuersatz. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn ein IT-Unternehmen für die Einrichtung der IT-Infrastruktur bei einem Treuhänder beauftragt wird und im Gegenzug der Treuhänder für dieses IT-Unternehmen die Buchhaltung erstellt (weitere Erläuterungen zu diesem Beispiel unten im Text).

    Besonderheiten bei Verrechnungsgeschäften

    Bei Tauschgeschäften sind beide Vertragspartner zugleich Leistungserbringer und -empfänger. Soweit die Steuerpflicht besteht, hat jeder die ihm erbrachte Leistung (als Entgelt für die eigene Leistung) voll zu versteuern.

    Die Besonderheit bei Verrechnungsgeschäften ist zudem, dass die Gegenleistung des Abnehmers anders als durch Geldzahlung (z.B. Erbringung einer Gegenleistung) erfolgt (sog. Leistung an Zahlungs statt). Sind Leistung und Gegenleistung von gleichem (Markt-)Wert, führt dies dazu, dass zwischen den beiden Parteien kein Geld fliesst. Unterscheidet sich der Wert zwischen Leistung und Gegenleistung, dann findet trotz Verrechnung ein Geldfluss, jedoch im reduzierten Masse statt (Bezahlung des Differenzbetrags).

    Bei Tauschverhältnissen gilt jeweils der Marktwert (z.B. Listenpreis) jeder Leistung als Entgelt für die andere Leistung. Entspricht der Marktwert der Leistungen des IT-Unternehmens beispielsweise CHF 10 000.– (exkl. MWST), so gilt dieser Wert als Entgelt für die vom Treuhänder an das IT-Unternehmen erbrachte Leistung. Der Treuhänder hat dieses Entgelt als Umsatz zu versteuern. Es existieren seitens der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) keine konkreten Ausführungen zum Marktpreis, weshalb sich die Ermittlung des korrekten Marktpreises in der Praxis oftmals als schwierig erweist.

    Dem Prinzip der Bruttorechnung folgend sind Verrechnungen, in denen bloss der Differenzbetrag verbucht wird, mehrwertsteuerlich nicht gestattet (Verstoss gegen das Verrechnungsverbot). Die blosse Verbuchung des Differenzbetrags zwischen den gegenseitig erbrachten Leistungen ist auch dann nicht gestattet, wenn es sich beim Vertragspartner um eine nicht steuerpflichtige Person handelt. Dies gilt auch, wenn keine detaillierten Aufzeichnungen der verrechneten Gegenleistungen existieren, d.h. wenn lediglich der zu bezahlende Betrag fakturiert oder überhaupt keine Rechnung erstellt worden ist.

    Die korrekte steuerliche Behandlung bei Leistungsverrechnungen lässt sich gemäss Praxis der ESTV am besten erzielen, wenn für Leistung und Entgelt separate Belege erstellt werden (z.B. gegenseitige Fakturierung). Dies ist jedoch keine zwingende Vorschrift aber auch aus buchhalterischen Gründen sinnvoll (keine Buchung ohne Beleg).

    Nachfolgend wird die Verrechnung aus Sicht der MWST anhand von zwei Beispielen verdeutlicht.

    Beispiel 1: Tauschgeschäft zwischen zwei Steuerpflichtigen

    IT-Unternehmen A erbringt an den Treuhänder B diverse IT-Dienstleistungen. Im Gegenzug erstellt Treuhänder B die Buchhaltung für IT-Unternehmen A. Beide Vertragsparteien haben ihren Sitz in der Schweiz, sind im Schweizer MWST-Register eingetragen und rechnen nach der effektiven Abrechnungsmethode ab. Dabei erbringen beide Parteien steuerbare Leistungen, welche zum Normalsatz von 7,7% zu versteuern sind. Der Wert der gegenseitig erbrachten Leistungen inkl. MWST wurde im Vertrag wie folgt festgesetzt:

    IT-Dienstleistungen an Treuhänder B CHF 10 770.– (inkl. 7.7% MWST)

    Buchhaltungsleistungen an IT-Unternehmen A CHF 10 770.– (inkl. 7.7% MWST)

    Zwischen den beiden Parteien kommt es zu keinem Geldfluss, da Leistung und Gegenleistung von gleichem Wert erbracht werden. Sie haben jeweils beide CHF 10 000.– als Erlös zu verbuchen und in der MWST-Abrechnung als Umsatz unter Ziff. 200 zu deklarieren. Zugleich verbuchen beide Parteien den identischen Betrag als Aufwand für den Bezug der Gegenleistung.

    Unter der Voraussetzung, dass sowohl IT-Unternehmen A als auch Treuhänder B zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt sind, können beide jeweils die in Rechnung gestellte MWST in Höhe von CHF 770.– vollständig in Ziff. 400 ihrer MWST-Abrechnung in Abzug bringen.

    Verbuchung bei IT-Unternehmen A:

    1. Erbringung von IT-Dienstleistungen an Treuhänder B

     

    Betrag

    Forderungen aus L&L

    /

    CHF 10 770.00

     

    / Dienstleistungsertrag

    CHF 10 000.00

     

    / Verbindlichkeiten MWST

    CHF 770.00

    2. Bezug von Buchhaltungsleistungen von Treuhänder B

     

    Betrag

     

    / Verbindlichkeiten aus L&L

    CHF 10 770.00

    Dienstleistungsaufwand

    /

    CHF 10 000.00

    Forderungen MWST

    /

    CHF 770.00

    3. Verrechnung MWST

     

    Betrag

    Verbindlichkeiten aus L&L

    / Forderungen aus L&L

    CHF 10 000.00

    Verbindlichkeiten MWST

    / Forderungen MWST

    CHF 770.00

    Steuerschuld/-guthaben

     

    CHF 0.00

    In diesem Beispiel ergibt sich ein Nullsummenspiel für beide Vertragsparteien, da Leistungen in gleichem Wert und zum gleichen Steuersatz gegenseitig verrechnet werden. Aus diesem Grund gleichen sich Steuerschuld und -guthaben aus. Dies kann jedoch unter anderen Voraussetzungen auch zu einem anderen Resultat führen, wie das nächste Beispiel zeigt.

    Beispiel 2: Tauschgeschäft mit nur einem Steuerpflichtigen

    Influencer A fragt beim Hotel B an, ob dieser kostenlos für zwei Nächte bei diesem übernachten könne. Der Preis für die zwei Nächte liegt gemäss Buchungsseite des Hotels bei CHF 1’000 inkl. 3.7% MWST. Im Gegenzug bietet der Influencer an, auf seinen Online-Kanälen für das Hotel B zu werben. Beide Parteien haben ihren (Wohn-)Sitz in der Schweiz. Da Influencer A einen weltweiten Umsatz von CHF 80 000.– pro Jahr erzielt, ist dieser von der Steuerpflicht befreit. Hotel B hingegen ist als steuerpflichtige Person im Schweizer MWST-Register eingetragen.

    Das Hotel B hat den Marktwert der Leistung des Influencers als Entgelt für die eigene Leistung zu versteuern. Da sich die Parteien geeinigt haben, dass sich die gegenseitig erbrachten Leistungen «aufheben» sollen (und es keines zusätzlichen Zahlungsflusses bedarf), sind sie augenscheinlich davon ausgegangen, dass sich Leistung und Gegenleistung im Ergebnis gleichwertig gegenüberstehen. Das Hotel hat die beiden Übernachtungen zum anwendbaren Steuersatz zu versteuern. Bei Beherbergungsleistungen findet der Sondersatz von 3,7% Anwendung.

    Somit verbucht das Hotel B CHF 964.30 als Ertrag und deklariert diesen als Umsatz in Ziff. 200 der MWST-Abrechnung. Daraus resultiert eine Steuerschuld über CHF 35.70, welche das Hotel B an die ESTV abzuführen hat.

    Im Gegenzug verbucht das Hotel B die von Influencer A bezogene Werbeleistung im Wert von CHF 1’000 als Aufwand. Da Influencer A mehrwertsteuerlich nicht registriert ist, enthält dieses Entgelt keine MWST und berechtigt daher auch nicht zum Vorsteuerabzug.

    Verbuchung beim Hotel B:

    1. Erbringung von Beherbergungsleistungen an Influencer A

     

    Betrag

    Forderungen aus L&L

    /

    CHF 1 000.00

     

    / Beherbergungsertrag

    CHF 964.30

     

    / Verbindlichkeiten MWST

    CHF 35.70

    2. Bezug von Webeleistungen von Influencer A

     

    Betrag

    Dienstleistungsaufwand

    / Verbindlichkeiten aus L&L

    CHF 1 000.00

    Forderungen MWST

    /

    CHF 0.00

    3. Verrechnung

     

    Betrag

    Verbindlichkeiten aus L&L

    / Forderungen aus L&L

    CHF 1 000.00

    Verbindlichkeiten MWST

    / Bank (Überweisung an ESTV)

    CHF 35.70

    Steuerschuld

     

    CHF 35.70

    Auch in diesem Beispiel kommt es zu keinem Geldfluss zwischen den Parteien, da sich die Forderungen und Verbindlichkeiten (Gegenforderung) im Ergebnis ausgleichen.

    Fazit

    Bei Tauschgeschäften ist jeweils Vorsicht geboten. Beide Parteien haben über ihre vollen Leistungen die MWST abzurechnen (Verrechnungsverbot). Es ist empfehlenswert die jeweilige Ausgangslage (anwendbarer Steuersatz, Abrechnungsmethode etc.) beider Parteien im Detail zu klären, um die mehrwertsteuerlichen Konsequenzen aus dem Tauschgeschäft korrekt einschätzen zu können. Gewisse Fallkonstellationen können durchaus dazu führen, dass die MWST die Marge der Vertragsparteien negativ beeinflussen kann.