Die mehrwertsteuerliche Behandlung von «einfachen» Lieferungen kann im Einzelfall zu komplexen mehrwertsteuerlichen Fragen führen. Noch etwas komplexer wird es, wenn dem Element einer reinen Warenlieferung weitere Elemente hinzugefügt werden. Im Kontext dieser «komplexer Leistungen» werden häufig die Begriffe werkvertragliche Lieferung, Werklieferung und Montagelieferung verwendet. Doch was bedeuten diese Begriffe aus Sicht der Mehrwertsteuer? Und unterscheiden sie sich überhaupt?
Werkvertragliche lieferung
Die «werkvertragliche Lieferung» ist eine Spezialität aus der Schweizer Mehrwertsteuer mit seinem sehr weit gefassten Verständnis einer «Lieferung». Eine Definition findet sich weder in Gesetz noch Verordnung. Die ESTV betrachtet als werkvertragliche Lieferung «alle Lieferungen beweglicher oder unbeweglicher Gegenstände, die aufgrund eines Werkvertrages oder Auftrages neu angefertigt oder vor der Ablieferung noch bearbeitet werden», vgl. MWST-Info 06 «Ort der Leistungserbringung», Ziff. 3.1. Auf das Ausmass der Bearbeitung komme es nicht an. Es sei auch nicht erforderlich, dass im Rahmen der Bearbeitung Material verwendet, ersetzt oder hinzugefügt wird.
Die Definition in der MWST-Info zum «Ort der Leistungserbringung» zeigt, welche Bedeutung der werkvertraglichen in Abgrenzung zur «einfachen» Lieferung in erster Linie zukommt: der Bestimmung des mehrwertsteuerlichen Leistungsortes. Dem allgemeinen Grundsatz des Art. 7 Abs. 1 Bst. a MWSTG folgend gilt die (werkvertragliche) Lieferung als dort erbracht, wo die werkvertragliche Leistung vorgenommen bzw. wo der Gegenstand abgeliefert wird. Aber Achtung: Ist die werkvertragliche Zusatzleistung (z.B. Montage/Installation) lediglich eine Nebenleistung zu einer Beförderungs-/Versandlieferung, gilt die Lieferung als dort erbracht, wo die Beförderung oder der Versand beginnt.
Beispiel: Der schwäbische Werkzeughersteller schickt seinen Monteur in die Schweiz, um bei einem Kunden in Winterthur ein Ersatzteil auszutauschen (kein Garantiefall). Das Ersatzteil bringt der Monteur aus Deutschland mit. Der Werkzeughersteller ist in der Schweiz mehrwertsteuerlich registriert.
Ort der werkvertraglichen Lieferung ist an dem Ort, an dem die werkvertragliche Leistung vorgenommen wird (hier: Winterthur in der Schweiz). Bei den erforderlichen Montagearbeiten handelt es sich nicht lediglich um Nebenleistungen zur Leistung «Lieferung des Ersatzteils». Der Werkzeughersteller ist Importeur des Ersatzteils und unterwirft seine werkvertragliche Lieferung an den Schweizer Kunden der Inlandsteuer.
Werklieferung
Die «werkvertragliche Lieferung» findet Im (deutschsprachigen) europäischen Ausland im Zusammenhang mit der Mehrwertsteuer keine offizielle Verwendung. In Österreich und Deutschland findet dagegen der Begriff der «Werklieferung» Anwendung und wird definiert als die Be- oder Verarbeitung eines Gegenstandes durch einen Unternehmer, bei dem dieser Stoffe verwendet, die er selbst beschafft hat und die nicht nur Zutaten oder Nebensachen darstellen, § 3 Abs. 4 USTG DE/AT. Bei einer Werklieferung handelt es sich demnach um eine komplexe Leistung im Sinne eines Bündels unterschiedlicher Leistungselemente (regelmässig Lieferungs- und Dienstleistungselemente im Sinne der europäischen Verständnisses), die derart eng miteinander verknüpft sind, dass sie mehrwertsteuerlich als eine einzige Leistung zu behandeln sind.
Für das Vorliegen einer Werklieferung in diesem Sinne ist demnach Voraussetzung, dass
- sich die Lieferung auf einen vom Auftraggeber beigestellten Gegenstand bezieht und
- der Auftragnehmer eigene Stoffe verwendet, die nicht nur Zutaten oder Nebensachen darstellen und
- der Gegenstand des Auftraggebers be- oder verarbeitet wird.
Die Voraussetzungen an das Vorliegen einer «Werklieferung» sind demnach deutlich enger gefasst als an das Vorliegen einer «werkvertraglichen Lieferung».
- Beispiel: Der Kunstmaler Federstrich fertigt für einen Schweizer und für einen österreichischen Kunden je ein Auftragswerk.
Aus Sicht des Schweizer Mehrwertsteuerrechts handelt es sich um eine werkvertragliche Lieferung, da das Kunstwerk im Auftrag und nach den Wünschen des Auftraggebers hergestellt wird. Aus Sicht des österreichischen Mehrwertsteuerrechts handelt es sich nicht um eine Werklieferung, da der Künstler keinen Gegenstand seines österreichischen Auftraggebers be- oder verarbeitet.
Die Abgrenzung der Werk- zur einfachen Lieferung dient zunächst der Bestimmung des mehrwertsteuerlichen Leistungsortes. Dabei gelten – wie in der Schweiz bei werkvertraglichen Lieferungen – keine Spezialregelungen, sondern die allgemeinen Grundsätze zur Leistungsortsbestimmung im Zusammenhang mit Lieferungen.
Die Unterscheidung ist darüber hinaus von Bedeutung, wenn es um die Frage geht, wer Schuldner der Mehrwertsteuer im jeweiligen Fall ist. Weder in Deutschland noch in Österreich kommt derzeit das reverse charge Verfahren für «einfache» Lieferungen zur Anwendung (reverse charge = Umkehr der Steuerschuldnerschaft vom Leistungserbringer auf den Leistungsempfänger). Anders verhält es sich bei Werklieferungen eines im Ausland ansässigen Unternehmers an einen Leistungsempfänger der seinerseits Unternehmer ist. In diesen Fällen schuldet der Leistungsempfänger gegenüber den Steuerbehörden die Mehrwertsteuer, wenn sich der Ort der Leistung in Deutschland bzw. Österreich befindet.
- Beispiel: Die in der Schweiz domizilierte Belt AG ist auf die Produktion von Förderbändern spezialisiert. Sie wird von der französischen Sort Sàrl beauftragt, in die von der Sort Sàrl bei der deutschen Worldwide Shipping GmbH in Deutschland zu errichtende Paketsortieranlage ein Förderband einzubauen. Die Paketsortieranlage wird fest mit bereits vorhandenen Maschinen der Worldwide Shipping GmbH verbunden sein. Auftraggeber der Sort Sàrl ist die deutsche Worldwide Shipping GmbH. Weder die Belt AG noch die Sort Sàrl sind derzeit in Deutschland mehrwertsteuerlich registriert und verfügen dort auch nicht über Betriebsstätten.
Sowohl die Belt AG als auch die Sort Sàrl erbringen einer Werklieferung, da sie jeweils einen fremden Gegenstand unter Beiziehung eigener Materialien, die nicht nur nebensächlich sind, be- oder verarbeiten. Die Belt AG schuldet auf ihre Werklieferung an die Sort Sàrl keine deutsche Mehrwertsteuer, da es sich bei der Belt AG um eine ausländische Unternehmung handelt. Entsprechend greift das reverse charge Verfahren und die Sort Sàrl muss sich mehrwertsteuerlich in Deutschland registrieren, um die Mehrwertsteuer aus der Werklieferung der Belt AG gegenüber den deutschen Finanzbehörden abrechnen zu können. Auf ihre Werklieferung an die Worldwide Shipping GmbH schuldet die Sort Sàrl wiederum keine deutsche Mehrwertsteuer, da es sich bei der Sort Sàrl weiter um ein ausländisches Unternehmen handelt. Die MWST-Registrierung in Deutschland ändert daran nichts. Dementsprechend schuldet die Worldwide Shipping GmbH die Mehrwertsteuer aus der Werklieferung der Sort Sàrl gegenüber den deutschen Finanzbehörden.
Montagenlieferung
Die Montage- oder Installationslieferung findet sich wiederum weder im deutschen noch im österreichischen Mehrwertsteuergesetz. Hierbei handelt es sich vielmehr um eine Begrifflichkeit, die aus der europäischen MWST-Richtlinie abgeleitet wird. Die MWST-Richtlinie bildet die die Grundlage des harmonisierten MWST-Systems in den EU-Mitgliedstaaten («Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem», in diesem Beitrag als MWST-Richtlinie bezeichnet).
Wie der Begriff Montagelieferung nahelegt, handelt es sich hierbei um eine Lieferung, bei der der Gegenstand der Lieferung durch den Leistungserbringer oder für dessen Rechnung beim Leistungsempfänger installiert oder montiert wird. Die Richtlinie hält für diesen Fall fest, dass als Ort der Lieferung der Ort gilt, an dem die Installation oder Montage vorgenommen wird, Art. 36 MWST-Richtlinie. Von der deutschen oder österreichischen Werklieferung unterscheidet sich die Montagelieferung demnach in erster Linie durch das fehlende Erfordernis der Be- oder Verarbeitung eines vom Auftraggeber beigestellten Stoffes. Im Vergleich verschiedener Mitgliedstaaten besteht Uneinigkeit, welche Leistungen eine Montagelieferung zu einer solchen machen (konkret: bedarf es einer Befestigung beim Leistungserbringer oder genügt bereits das Zusammensetzen und Betriebsbereit machen?). Im deutschsprachigen Raum scheint die Auffassung vorherrschend, für eine Montage sei Voraussetzung, dass der Gegenstand der Lieferung mit technischen Hilfsmitteln an einer bestimmten Stelle angebracht oder befestigt wird.
Beispiel: Die in der Schweiz domizilierte Belt AG ist auf die Produktion von Förderbändern spezialisiert. Sie wird von der deutschen Worldwide Shipping GmbH beauftragt, ein mobiles Förderband zu liefern. Die Belt AG wird das Förderband vor Ort in Deutschland an die bestehenden Gegebenheiten anpassen und installieren, ohne aber Gegenstände der Worldwide Shipping GmbH zu be- oder verarbeiten.
Die Belt AG erbringt eine Montagelieferung an die Worldwide Shipping GmbH. Ort der Lieferung ist in Deutschland. Mangels Be- oder Verarbeitung fremder Gegenstände handelt es sich nicht um eine Werklieferung, das reverse charge Verfahren kommt daher nicht zur Anwendung. Die Belt AG muss sich daher in Deutschland mehrwertsteuerlich registrieren, um die aus ihrer Lieferung geschuldete Mehrwertsteuer gegenüber den deutschen Finanzbehörden abzurechnen.
Fazit
Ähnlich, aber doch ganz anders – oder eben «same same but different». Bei der Mehrwertsteuer steckt der Teufel im Detail. Wenn man bedenkt, dass die entsprechenden Sachverhalte meist die Einfuhr von Ware beinhalten und der Vorsteuerabzug stets nur dem «richtigen» Importeur gewährt wird, wird deutlich, warum sich auch bei scheinbar Alltäglichem noch regelmässig Fehler in der mehrwertsteuerlichen Behandlung einschleichen, die im Falle einer Revision umfangreiche Aufrechnungen und mindestens grossen administrativen Aufwand mit sich bringen.
Mit entsprechend geschultem Personal und aktuellen Arbeitshilfen lassen sich Risiken minimieren und der Fokus hin zum wesentlichen richten.