Tankkarten und MWST – Schweizer Steuerverwaltung äussert sich zur mehrwertsteuerlichen Behandlung im Hinblick auf fossile Brennstoffe und Elektrizität

Das Schweizer Mehrwertsteuersystem stimmt in vielen Bereichen mit den Leitlinien des europäischen Mehrwertsteuerrechts überein – nicht ohne im Einzelfall zu gänzlich abweichenden Ergebnissen zu kommen. Entsprechend werden zahlreiche Diskussionen, die auf europäischer Ebene und in den Mitgliedstaaten geführt werden, auch auf Schweizer Ebene geführt. Dies trifft beispielsweise auch auf die Leistungsbeziehungen bei der Verwendung von Tankkarten zu. Nachdem die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) vor einem Jahr ihren ersten Entwurf veröffentlicht hat, wie sie diese Leistungsbeziehungen mehrwertsteuerlich beurteilt wissen will, hat sie nunmehr am 20. Januar 2023 ihre definitive Publikation zu diesem Thema veröffentlicht.

Hintergrund: Tankkarten

Als Tankkarte im Sinne ihrer Verwaltungspraxis definiert die ESTV solche Karten, die es dem Tankkarteninhaber (Kunden) ermöglichen, an Tankstellen gegen Vorweisen der Karte bestimmte Leistungen zu beziehen.

Der Tankkartenherausgeber legt in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (nachfolgend: AGB) und/oder Verträgen fest, an welchen Tankstellen die Tankkarte gültig ist und welche Leistungen dort mit der Karte bezogen werden können. Die Tankkarteninhaber können an einer Tankstelle z.B. Treibstoff, Betriebsmittel für das Fahrzeug (Schmiermittel, Frostschutzmittel, usw.), Waren oder andere Leistungen beziehen.

Steuerliche Behandlung

Grundfall

Gemäss ihrer nun publizierten Praxis scheint die ESTV davon auszugehen, dass es sich bei der Leistung des Tankkartenherausgebers an den Tankkarteninhaber um eine von der MWST ausgenommene Finanzdienstleistung ohne Recht auf Vorsteuerabzug handelt. Während diese Vermutung im ersten Entwurf noch ausdrücklich so festgehalten war, fehlt es nunmehr an einer eindeutigen Formulierung («ist zu prüfen, ob die Karte steuerlich wie eine Kreditkarte behandelt werden kann»). Aus Kreisen der Verwaltung ist zu vernehmen, dass die abgeschwächte Formulierung in der finalen Publikation nichts an der grundsätzlichen Auffassung der ESTV geändert hat, dass prinzipiell von einer Finanzdienstleistung des Herausgebers an den Inhaber auszugehen sei.

Ausnahme

Abweichend hiervon haben Tankkartenherausgeber die Möglichkeit, die über die Tankkarte abgewickelten Leistungen als Reihengeschäfte abzuwickeln (d.h. die Tankstelle leistet nicht an den Tankkarteninhaber, sondern an den Herausgeber und dieser seinerseits an den Inhaber der Tankkarte). Diese abweichende Behandlung ist nur möglich, wenn bestimmte von der ESTV definierte und kumulativ zu erfüllende Voraussetzungen eingehalten werden:

  1. Der Tankkarteninhaber weist seine Tankkarte vor, bezahlt aber die vom Tankstellenshop erhaltenen Leistungen nicht. Der Tankstellenshop händigt ihm lediglich einen Lieferschein aus, auf dem kein Vermerk auf die MWST enthalten ist;
  2. jeder Leistungserbringer (Tankstelle, Tankkartenherausgeber) erbringt und fakturiert seinem Leistungsempfänger die diesem erbrachten Leistungen mit Vermerk auf die Mehrwertsteuer im eigenen Namen und auf eigene Rechnung;
  3. jeder Leistungserbringer übernimmt selbst das vollständige Delkredererisiko der eigenen Kunden sowie die Gewährleistung für Mängel der im eigenen Namen und auf eigene Rechnung erbrachten Leistungen; und jeder Leistungserbringer muss sicherstellen, dass seine Vertragspartner (ausser der Tankkarteninhaber) in allen Verträgen sowie in den AGB auf diese Bedingungen hinweisen.
 

Lieferung von Elektrizität in Leitungen

Die vorstehenden Grundsätze finden sowohl auf fossile Brennstoffe wie auch auf Elektrizität in Leitungen Anwendung. Dabei ist zu beachten, dass für die Lieferung von Elektrizität besondere Regelungen hinsichtlich des mehrwertsteuerlichen Leistungsortes gelten:
 
  • Als Ort der Lieferung gilt der Ort, an dem der Empfänger oder die Empfängerin der Lieferung den Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine Betriebsstätte hat, für welche die Lieferung erbracht wird (B2B);
  • in Ermangelung eines solchen Sitzes oder einer solchen Betriebsstätte (B2C) gilt als Ort der Lieferung der Ort, an dem der Strom verbraucht wird, also dort, wo sich die Ladestation befindet (denn dort findet die Entnahme aus dem Stromnetz und damit der Verbrauch statt).
 

Fazit

Die Praxispublikation der ESTV schafft Rechtsklarheit und erlaubt es den Herausgebern von Tankkarten, ihre Geschäftsmodelle entsprechend zu strukturieren. Vor dem klar formulierten Katalog an Voraussetzungen, die eine Behandlung als Reihengeschäft erfordert, empfehlen wir dringend, bestehende Vereinbarungen zu prüfen und neue Verträge entsprechend anzupassen.