Steuerumgehung bei der MWST – Lehren aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-1146/2023

Die Mehrwertsteuer (MWST) ist als allgemeine Konsumsteuer darauf ausgelegt, den nicht-unternehmerischen, sprich privaten, Konsum zu belasten. Innerhalb der unternehmerischen Sphäre hingegen besteht grundsätzlich ein Recht auf den Vorsteuerabzug, um eine steuerliche Mehrfachbelastung zu vermeiden. Dieser Grundsatz stösst jedoch an seine Grenzen, wenn Gestaltungen einzig dazu dienen, sich einen steuerlichen Vorteil zu verschaffen, der vom Gesetzgeber nicht vorgesehen ist. Solche missbräuchlichen Strukturen sind häufig Gegenstand der Rechtsprechung, insbesondere im Zusammenhang mit Luxusgütern wie Privatjets, Yachten oder Ferienimmobilien.

Ein aktuelles Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVGer) vom 8. Januar 2025 (A-1146/2023) behandelt eine solche Thematik. Es befasst sich mit der missbräuchlichen Nutzung der MWST-Regelungen im Zusammenhang mit einer Ferienliegenschaft.

Sachverhalt und Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts

A-1146/2023

Die A._______ AG wurde im Jahr 2017 von ihrem Alleinaktionär erworben und hielt eine einzige Ferienliegenschaft. Die Gesellschaft wurde als mehrwertsteuerpflichtiges Unternehmen registriert, wodurch sie berechtigt war, den Vorsteuerabzug für umfangreiche Renovationskosten geltend zu machen. Gleichzeitig vermietete sie die Liegenschaft exklusiv an den Alleinaktionär, wobei diese Vermietung als Beherbergungsdienstleistung der MWST zum Sondersatz für Beherbergungsleistungen unterliegt.

Nach einer MWST-Kontrolle durch die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) im Jahr 2021 wurde die Gesellschaft rückwirkend aus dem Register der MWST-pflichtigen Personen gelöscht. Die ESTV begründete dies mit dem Vorliegen einer Steuerumgehung, da die gewählte Struktur einzig darauf abzielte, einen Vorsteuerabzug zu generieren, den der Alleinaktionär privat nicht hätte geltend machen können. Das BVGer bestätigte diese Einschätzung.

Kriterien der Steuerumgehung

Nach der gefestigten Praxis des BVGer und des Bundesgerichts sind drei Elemente entscheidend für die Bejahung einer Steuerumgehung:

  1. Objektives Element: Die gewählte Rechtsgestaltung ist ungewöhnlich und sachwidrig. Im vorliegenden Fall bestand die Gesellschaft ausschließlich darin, eine Ferienliegenschaft zu halten und an den Alleinaktionär zu vermieten, ohne dass wirtschaftliche oder geschäftliche Gründe ersichtlich waren.
  2. Subjektives Element: Die gewählte Struktur diente primär der Steuervermeidung, indem durch die MWST-Pflicht ein Vorsteuerabzug erlangt wurde, der ansonsten nicht möglich gewesen wäre.
  3. Effektives Element: Die Steuerersparnis war erheblich, insbesondere durch den Vorsteuerabzug für Renovationskosten, die ansonsten im Privatvermögen nicht abzugsfähig gewesen wären.

Da alle drei Kriterien erfüllt waren, wurde die Steuerumgehung bejaht und die Steuerpflicht der Gesellschaft rückwirkend aufgehoben.

Interessant ist der Vergleich mit den Urteilen A-4190/2020 und A-4195/2020 vom 15. Dezember 2021. In diesen Fällen wurde keine Steuerumgehung angenommen, wobei nach Auffassung des Gerichts insbesondere die Tatsache eine Rolle spielte, dass dort keine Vorsteuerabzüge geltend gemacht wurden. Die Unternehmen rechneten stattdessen nach der Saldosteuersatzmethode ab, weshalb keine erhebliche Steuerersparnis erfolgt. Es fehlte somit an der dritten Voraussetzung, dem effektiven Element, das eine erhebliche Steuerersparnis voraussetzt. Im aktuellen Fall hingegen führte die gewählte Struktur zu einem signifikanten Vorsteuerüberhang, der sich aus den hohen Renovationskosten ergab, für die die Gesellschaft den Vorsteuerabzug geltend machte. Gleichzeitig wurden die Mieteinnahmen aus der exklusiven Vermietung an den Alleinaktionär nur mit dem reduzierten Sondersatz für Beherbergungsleistungen besteuert. Dies führte dazu, dass die geltend gemachten Vorsteuern die geschuldete Mehrwertsteuer deutlich überstiegen, was das Gericht als steuerlich missbräuchlich einstufte, sodass eine Steuerumgehung bejaht wurde.

Faktische Beweislastumkehr für den Steuerpflichtigen

Ein bemerkenswerter Punkt des Urteils ist die Beweislastverteilung. Grundsätzlich obliegt es der Steuerbehörde, das Vorliegen einer missbräuchlichen Gestaltung zu beweisen. Das BVGer hält jedoch fest, dass eine natürliche Vermutung für eine absonderliche Gestaltung besteht, sobald wesentliche Elemente für eine steuerliche Optimierung sprechen. Dies führt in der Praxis zu einer faktischen Beweislastumkehr, da die Steuerpflichtigen die natürliche Vermutung der Steuerumgehung entkräften müssen.

Im aktuellen Fall konnte die A._______ AG keine hinreichenden geschäftlichen Gründe für ihre Struktur darlegen. Das Gericht betonte, dass wirtschaftliche oder geschäftliche Motive der Gesellschaft selbst massgeblich sind – nicht etwa die unternehmerischen Aktivitäten des Alleinaktionärs. Damit wurde die natürliche Vermutung nicht entkräftet. Diese Handhabung zeigt, dass Steuerpflichtige, die ähnliche Strukturen nutzen, gut dokumentierte wirtschaftliche Gründe für ihre Wahl darlegen müssen, um einer steuerlichen Korrektur zu entgehen.

Auswirkung auf die Praxis

Das Urteil unterstreicht erneut, dass das Halten von Ferienimmobilien über Gesellschaften zwar nicht per se unzulässig ist, jedoch ein wirtschaftlicher Zweck nachgewiesen werden muss, der über die reine Steuerersparnis hinausgeht. Dabei scheinen Verwaltung und Bundesverwaltungsgericht strenge Massstäbe anzulegen.

Unternehmen und Steuerpflichtige sollten daher in entsprechenden Konstellationen genau prüfen, ob sich der unternehmerische Grund für die gewählte Struktur hinreichend begründen lässt. Falls dies nicht der Fall ist, droht eine steuerliche Korrektur mit erheblichen finanziellen Folgen. Der Entscheid wurde ans Bundesgericht weitergezogen, es bleibt abzuwarten, ob er Bestand haben wird.