Immobilien und Mehrwertsteuer Rückbaukosten und Vorsteuerabzug

Mehrwertsteuer und Immobilien zählt zu den Dauerbrennern in der Beratung. Die Regelungen sind im Detail komplex und die Beträge für einzelne Transaktionen vergleichsweise hoch. In loser Folge stellen wir in unserem Blog relevante Problemfelder vor und erörtern, worauf zu achten ist. In diesem Beitrag beschäftigen wir uns mit mehrwertsteuerlichen Fragen im Zusammenhang mit Rückbau- und Abbruchkosten (nachfolgend «Rückbaukosten») und Vorsteuerabzug.

Hintergrund

Aus Sicht der Mehrwertsteuer durchläuft die gewerbliche Nutzung einer Immobilie regelmässig drei «Lebensphasen»:

  1. Erstellung/Erwerb
  2. Betrieb
  3. Rückbau oder Veräusserung

Dabei stellen sich in jeder Lebensphase aus mehrwertsteuerlicher Sicht unterschiedliche und teils kontroverse Fragen. In jüngerer Vergangenheit wurden von den Gerichten Fragen insbesondere im Zusammenhang mit Rückbau von Immobilien und dem damit verbundenen Recht auf Vorsteuerabzug entschieden.

Vorsteuerabzug Allgemein 

Die steuerpflichtige Person kann im Rahmen ihrer unternehmerischen Tätigkeit grundsätzlich die ihr in Rechnung gestellte und bezahlte Mehrwertsteuer, die Bezugsteuer und die Einfuhrsteuer als Vorsteuer abziehen.

Kein Anspruch auf Vorsteuerabzug besteht bei Leistungen und bei der Einfuhr von Gegenständen, die für die Erbringung von Leistungen, die von der Steuer ausgenommen sind und für deren Versteuerung nicht optiert wurde, verwendet werden.

Dieser Vorbehalt ist im Zusammenhang mit Immobilien von besonderer Relevanz, da die Übertragung und die Bestellung von dinglichen Rechten an Grundstücken, die Leistungen von Stockwerkeigentümergemeinschaften an die Stockwerkeigentümer sowie die Überlassung von Grundstücken und Grundstücksteilen zum Gebrauch oder zur Nutzung grundsätzlich von der Steuer ausgenommen sind.

Dabei gelten Rückausnahmen für bestimmte Nutzungen (z.B. die Vermietung von Wohn- und Schlafräumen zur Beherbergung von Gästen sowie die Vermietung von Sälen im Hotel- und Gastgewerbe oder die Vermietung von nicht im Gemeingebrauch stehenden Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen).

Zudem besteht die Möglichkeit, die entsprechenden Leistungen freiwillig der Mehrwertsteuer zu unterstellen (sog. Option). Die Möglichkeit der Option steht allerdings unter dem Vorbehalt, dass der Gegenstand vom Leistungsempfänger nicht ausschliesslich für Wohnzwecke genutzt wird oder genutzt werden soll.

Rückbaukosten und vorsteuerabzug

Beim Vorsteuerabzug im Zusammenhang mit Rückbaukosten ist zunächst danach zu unterscheiden, ob den Rückbaukosten ein Eigentümerwechsel vorausgegangen ist (der Rückbau erfolgt also durch den Erwerber der Immobilie) oder nicht (der Rückbau erfolgt also durch den bisherigen Eigentümer der Immobilie).

Rückbaukosten ohne vorgängigen eigentümerwechsel

Der Rückbau stellt die letzte Phase der bisherigen unternehmerischen Nutzung dar. Die Beurteilung, ob die Vorsteuer im Zusammenhang mit dem Rückbau abzugsfähig ist, richtet sich nach der bisherigen Nutzung für zum Vorsteuerabzug berechtigende Leistungen oder solche, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigen. Die beabsichtigte zukünftige Nutzung und eine damit allenfalls einhergehende Nutzungsänderung ist nicht von Belang.

  • Beispiel: Die Holzbau Müller AG besitzt am Stadtrand Zürichs eine grössere Fläche Land mit verschiedenen Geräteschuppen und Gebäuden mit holzverarbeitenden Maschinen. Die Holzbau Müller AG beabsichtigt, zukünftig die Produktion auf Holzbaubetriebe im Zürcher Hinterland auszulagern und entsprechend den eigenen Maschinen- und Fuhrpark zu reduzieren. Auf der Fläche am Stadtrand Zürichs will die Holzbau Müller AG eine grössere Wohnüberbauung realisieren.
  • Die Vorsteuer im Zusammenhang mit dem Rückbau ist voll abzugsfähig. Massgeblich für die Beurteilung des Vorsteuerabzugs ist nicht die geplante zukünftige Nutzung (die hier mutmasslich nicht zum Vorsteuerabzug berechtigen würde), sondern die bisherige Nutzung im Rahmen des Holzbaubetriebes.

Rückbaukosten mit vorgängigem eigentümerwechsel

Hier ist nach Ansicht des Bundesgerichts weiter zu differenzieren:

Veranlasst der Erwerber «unmittelbar» nach Erwerb den Rückbau der Immobilie, so tritt er mehrwertsteuerlich in die erste mehrwertsteuerliche Lebensphase der zukünftigen Immobilie («Erstellung»). Dementsprechend richtet sich das Recht zum Vorsteuerabzug nach der zukünftigen Nutzung der (zu errichtenden) Immobilie.

  • Beispiel: Um ihr Vorhaben umzusetzen erwirbt die Holzbau Müller AG ein angrenzendes Grundstück, das von einem Garagisten genutzt wurde. Die Betriebsgebäude des Garagisten lässt die Holzbau Müller AG unmittelbar abreissen und die Böden sanieren.
  • Die Vorsteuer im Zusammenhang mit dem Abbruch und den Sanierungsaufwendungen ist nicht abzugsfähig. Massgeblich für die Beurteilung des Vorsteuerabzugs ist nicht die bisherige Nutzung (die hier mutmasslich zum Vorsteuerabzug berechtigte), sondern die zukünftige Nutzung als Wohnüberbauung.

Veranlasst der Erwerber nicht «unmittelbar» nach Erwerb den Rückbau der Immobilie, sondern führt diese einer Zwischennutzung zu, ist zu prüfen, ob diese Zwischennutzung als eigenständige Betriebsphase oder als «unselbständige Zwischennutzung» anzusehen ist.

Im Falle einer eigenständigen Betriebsphase zählen die Rückbaukosten zur letzten Lebensphase der aktuellen Nutzung der Immobilie und das Recht auf Vorsteuerabzug richtet sich nach der bisherigen Nutzung. Im Falle einer unselbständigen Zwischennutzung zählen die Abbruchkosten hingegen zur ersten Lebensphase der «Erstellung» der neu zu errichtenden Immobilie.

  • Beispiel: Um ihr Vorhaben umzusetzen erwirbt die Holzbau Müller AG ein weiteres angrenzendes Grundstück. Auf diesem befindet sich eine Spedition. Da die Spedition ihre neue Zentrale erst in neun Monaten beziehen kann, schliesst sie mit der Holzbau Müller AG einen befristeten Mietvertrag (optiert) bis zur Fertigstellung ihrer neuen Zentrale. Nachdem die Spedition ausgezogen ist, lässt die Holzbau Müller AG die Betriebsgebäude abreissen.
  • Die Vorsteuer im Zusammenhang mit dem Abbruch ist (wohl) nicht abzugsfähig. Massgeblich für die Beurteilung des Vorsteuerabzugs ist nicht die bisherige Nutzung (optierte Vermietung), da diese nur für eine kurze Übergangsdauer erfolgte und daher wohl nicht als eigenständige Betriebsphase angesehen werden kann. Insofern richtet sich das Recht auf Vorsteuerabzug nach der geplanten zukünftigen Nutzung.

Fazit

Insbesondere im Zusammenhang mit einer Zwischennutzung ist genau zu prüfen, ob diese als eigenständige Betriebsphase angesehen werden muss oder ob sie lediglich eine unselbständige Zwischennutzung darstellt. Die Abgrenzungskriterien sind dabei allerdings wenig trennscharf und weder die Verwaltung noch die dazu ergangene Rechtsprechung bieten hier Hilfestellung.

Andererseits zeigt sich, dass eine vorausschauende Planung im Zusammenhang mit Immobilientransaktionen erhebliches Optimierungspotential bietet.