Subjektive Steuerpflicht – ist einmal keinmal?

Die subjektive Steuerpflicht in der Mehrwertsteuer setzt unter anderem eine «nachhaltige» Einnahmenerzielungsabsicht voraus. Nach Ansicht von Verwaltung und Bundesverwaltungsgericht kann dabei auch eine einmalige Transaktion (hier: die Vermittlung einer Immobilien-Transaktion) «nachhaltig» sein und eine subjektive Steuerpflicht begründen, wie ein neueres Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zeigt (A-4115/2021).

 

Die Voraussetzungen zur Erfüllung der subjektiven Steuerpflicht Art. 10 MWSTG

Steuerpflichtig ist, wer unabhängig von Rechtsform, Zweck und Gewinnabsicht ein Unternehmen betreibt und von der Steuerpflicht nicht befreit ist. Ein Unternehmen betreibt, wer eine auf die nachhaltige Erzielung von Einnahmen aus Leistungen ausgerichtete berufliche oder gewerbliche Tätigkeit selbstständig ausübt und unter eigenem Namen nach aussen auftritt.

Was ist nachhaltig im Sinne des Art. 10 MWSTG?

Das Bundesverwaltungsgericht nimmt in seinem Entscheid zunächst Bezug auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung zum alten Recht, bevor es auf einen in der Lehre zum neuen Recht vertretenen Ansatz eingeht und schliesslich den Bogen zur Auffassung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) schlägt.

Bundesgerichtliche Rechtsprechung zur «Nachhaltigkeit»

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts zum alten MWSTG (vgl. BGE 138 II 251) bildet die Nachhaltigkeit kein eigenständiges Kriterium, sondern sei Tatbestandselement der gewerblichen/beruflichen Ausübung der selbstständigen Tätigkeit. Demnach sprächen die folgenden Indizien für das Vorliegen einer nachhaltigen Leistungserbringung:

  • ein mehrjähriges Engagement und ein planmässiges Vorgehen
  • eine auf Wiederholung angelegte Tätigkeit
  • die Ausführung von mehreren Umsätzen
  • die Vornahme mehrerer gleichartiger Handlungen unter Ausnutzung derselben Gelegenheit
  • die Intensität des Tätigwerdens
  • die Beteiligung am Markt
  • der Unterhalt eines Geschäftsbetriebs
  • die Art und Weise des Auftretens gegenüber Behörden
Bei Grenzfällen ohne stark ausgeprägte andere Indizien seien auch die Gewinnerzielungsabsicht sowie die Teilnahme am allgemeinen Wirtschaftsverkehr «starke Signale» für die Nachhaltigkeit (vgl. Urteil des BGer 2C_814/2013 vom 3. März 2014 E. 2.3.3).
 
 
Von Teilen der Lehre vertretene Abgrenzungskriterien

Unter dem neuen Recht vertritt ein Teil der Lehre, die Nachhaltigkeit sei gestützt auf quantitative und qualitative Indizien zu beurteilen.

Quantitative Indizien für eine nachhaltige Tätigkeit seien demnach:

  • Handlungen werden mehrmals und immer gleichartig vorgenommen.
  • Eine einmalige Handlung wird mit Wiederholungsabsicht durchgeführt.
  • Durch einmaligen Vertragsschluss wird ein Dauerzustand zwecks Erzielung fortlaufender Einnahmen geschaffen.
  • Zwar wird eine Leistung einmalig erbracht, hierfür ist aber eine gewisse Dauer erforderlich.
 
Qualitative Indizien für eine nachhaltige Tätigkeit seien demnach:
 
  • Die Tätigkeiten werden tatsächlich – unter Ausnützung derselben Gelegenheit und desselben dauernden Verhältnisses – wiederholt.
  • Das Handeln ist planmässig sowie auf Wiederholung angelegt.
  • Eine Beteiligung am Markt kann festgestellt werden, bei welcher der Tätige «wie ein Händler» auftritt.
  • Der Unternehmensträger mietet ein Geschäftslokal an, welches insbesondere auch im Aussenauftritt bekannt gegeben wird.
 
Rechtsprechung des EuGH
Die in Bezug genommene Rechtsprechung des EuGH befasst sich mit der Abgrenzung zwischen privater und unternehmerischer Tätigkeit. Demnach seien der blosse Erwerb und die Ausübung des Eigentums durch Veräusserung nicht als steuerbare Nutzung eines Gegenstands durch seinen Eigentümer zu betrachten, wenn sie im Rahmen einer Vermögensverwaltung durch private Anleger ausgeführt würden. Entscheidend sei vielmehr, ob die betreffende Person «aktive Schritte zum Vertrieb» unternimmt, indem sie sich «ähnlicher Mittel bedient wie ein Erzeuger, Händler oder Dienstleistender» (Urteil des EuGH vom 15. September 2011 C-180/10 und C-181/10). Die Sichtweise entspreche gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung weitgehend der Schweizer Sichtweise.
 
 

Die einmalige Vermittlung im Rahmen einer Immobilien-Transaktion als «nachhaltig»

Der entschiedene Fall betraf eine Immobilienvermietung, die mangels Option der Mietverhältnisse nicht obligatorisch steuerpflichtig war und sich auch nicht freiwillig der Mehrwertsteuer unterstellt hatte (Beschwerdeführerin). Die Beschwerdeführerin erhielt die Gelegenheit, im Rahmen eines Grundstücksdeals einmalig als Vermittlerin tätig zu werden. Hierfür erhielt sie als Entgelt einen Prozentsatz vom Verkaufserlös. Im Rahmen einer MWST-Prüfung kam die ESTV zu dem Schluss, dass die Beschwerdeführerin aufgrund ihrer Maklertätigkeit einen neuen Betriebszweig eröffnet hätte und daher obligatorisch steuerpflichtig geworden sei. Hiergegen wandte sich die Beschwerdeführerin u.a. mit dem Argument, es habe sich bei der Vermittlung um eine einmalige Gelegenheit ohne Wiederholungsabsicht
gehandelt.
 
Dieser Argumentation schliesst sich das Gericht nicht an und weist die Beschwerde im Ergebnis ab. Dabei betont es insbesondere das Kriterium des planmässigen Vorgehens über einen längeren Zeitraum (vorliegend mindestens sechs Monate) und verweist insofern explizit auf die von Teilen der Lehre entwickelten Abgrenzungskriterien, vgl. E 3.2.2.3. In seine Erwägungen bezieht das Gericht zudem ein, «dass das Geschäft für die Beschwerdeführerin äusserst einträglich war», E 3.2.2.4. Zwar dürfe die Einträglichkeit nicht allein als Abgrenzungskriterium herangezogen werden, im Sinne einer Gesamtschau aller Umstände des Einzelfalls sei die Einträglichkeit aber sehr wohl mit zu berücksichtigen. Dies umso mehr, als es vorliegend nicht so sehr um die Höhe des Entgelts als solche ginge, sondern vielmehr um die Rentabilität der Transaktion: «In Grenzfällen, bei welchen andere Indizien nicht stark ausgeprägt sind, kann nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung diese bzw. die Gewinnerzielungsabsicht durchaus ein Indiz für eine nachhaltige Tätigkeit darstellen (Urteil des BGer 2C_814/2013 vom 3. März 2013 E. 2.3.3)», E 3.2.2.4.
 
 

CONCLUSION

Einzeltransaktionen können die Steuerpflicht begründen – sei es aufgrund erstmaligen unternehmerischen Tätigwerdens oder im Sinne einer Eröffnung eines neuen Betriebszweigs wie im hier entschiedenen Fall. Die
Abgrenzung von der privaten zur nachhaltig unternehmerischen Tätigkeit gestaltet sich dabei schwierig und bedarf einer Gesamtschau aller Umstände des konkreten Einzelfalls. Insbesondere Transaktionen über hochpreisige Gegenstände, bei denen sich der eigentliche Geschäftsabschluss über einen längeren Zeitraum anbahnt und die eine gewisse «Marktinitiative» benötigen (z.B. Immobilien, Kunstwerke, Sammlungsstücke), können als nachhaltig unternehmerisch gelten und damit eine Steuerpflicht auslösen. Die konkreten Folgen sollten gründlich geprüft werden und im Rahmen der Transaktionsverhandlungen entsprechende Berücksichtigung finden (MWST-Klauseln, Optieren als Alternative etc.). Bei der Gesamtschau kann insbesondere auch auf eine mögliche Gewinnerzielungsabsicht abzustellen sein – dies im Gegensatz zum Gesetzeswortlaut, der allein auf die
Einkünfteerzielungsabsicht abstellt.
 

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