Mehrwertsteuer und Immobilien zählt zu den Dauerbrennern in der Beratung. Die Regelungen sind im Detail komplex und die Beträge für einzelne Transaktionen vergleichsweise hoch. In loser Folge stellen wir in unserem Blog relevante Problemfelder vor und erörtern, worauf zu achten ist. Im ersten Teil beschäftigten wir uns mit mehrwertsteuerlichen Fragen im Zusammenhang mit der Übertragung von Immobilien.

Drei mögliche formen der übertragung

Grundsätzlich bestehen drei Möglichkeiten, den Verkauf einer Immobilie mehrwertsteuerlich abzubilden:

  1. Den gesetzlichen vorgesehenen Grundfall bildet die von der Steuer ausgenommene Leistung nach Art. 21 Abs. 2 Ziff. 20 MWSTG
  2. Als Variante besteht grundsätzlich die Möglichkeit einer Übertragung als freiwillig versteuerte („optierte“) Leistung nach Art. 22 Abs. 1 MWSTG
  3. Schliesslich können sich die Parteien unter gewissen Voraussetzungen für die Anwendung des Meldeverfahrens nach Art. 38 MWSTG i.V.m. Art. 104 MWSTV entscheiden.

Verkauf einer Immobilie als von der Steuer ausgenommene Lieferung (Art. 21 AbS. 2 Ziff. 20 MWSTG)

Die Übertragung als von der Steuer ausgenommene Leistung bedeutet, dass das Verkaufsgeschäft selbst keine Mehrwertsteuer auslöst. Da die Leistung selbst „nicht steuerbar“ ist, kann der (steuerpflichtige) Verkäufer auf den vorsteuerbelasteten Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Transaktion keinen Vorsteuerabzug geltend machen.

Hat der (steuerpflichtige) Verkäufer die Immobilie bis zum Verkauf (ganz oder teilweise) für zum Vorsteuerabzug berechtigende Zwecke genutzt, stellt der Verkauf als steuerausgenommene Leistung eine „Nutzungsänderung“ dar (Nutzung alt: teils oder ganz zum Vorsteuerabzug berechtigend, Nutzung neu: nicht zum Vorsteuerabzug berechtigend). Entsprechend muss der Verkäufer eine Vorsteuerkorrektur aufgrund Eigenverbrauchs nach Art. 31 MWSTG vornehmen.

  • Beispiel 1:

    Die steuerpflichtige Hans Muster AG in Walchwil hält in ihrem Betriebsvermögen eine Immobilie. In der Immobilie befindet sich die Schreinerei der Hans Muster AG. Im Oktober 2014 hatte die Hans Muster AG das Dach der Immobilie neu decken lassen. Die hierfür in Rechnung gestellte MWST hat die Hans Muster AG als Vorsteuer geltend gemacht. Zum 1. Juli 2024 verkauft die Hans Muster AG die Immobilie an die Müller Immo AG. Der Verkauf soll nach dem gesetzlichen Grundfall erfolgen.

    Die Hans Muster AG nutzte die Immobilie bis anhin umfassend im steuerbaren Bereich (Schreinerei). Durch den Verkauf als von der Steuer ausgenommene Leistung tritt eine Nutzungsänderung ein. Entsprechend muss die Hans Muster AG den Vorsteuerabzug im Zusammenhang mit der Immobilie korrigieren. Betroffen ist vorliegend der Vorsteuerabzug im Zusammenhang mit der Renovierung des Daches. Der Umfang der Korrektur richtet sich nach dem Zeitwert der Renovierung. Zur Ermittlung des Zeitwertes wird der Vorsteuerbetrag linear für jedes abgelaufene Jahr bei unbeweglichen Gegenständen um 5% reduziert. Die buchmässige Behandlung ist nicht von Bedeutung. Entsprechend hat die Hans Muster AG die ursprünglich in Abzug gebrachte Vorsteuer um 50% zu korrigieren (5% * 10 Jahre, das laufende Jahr der Veräusserung bleibt bei der Ermittlung des Zeitwerts grundsätzlich ausser Betracht).

Der Erwerber übernimmt die Immobilie frei von Mehrwertsteuer. Bei einer Nutzung im nicht steuerbaren Bereich (z.B. als Altersheim) besteht für den Erwerber kein Risiko einer Nutzungsänderung. Andererseits geht auf den Erwerber auch kein Entsteuerungspotential über.

  • Beispiel 2:

    Die Hans Muster AG rechnet die von ihr vorzunehmende Vorsteuerkorrektur in den Verkaufspreis ein. Die Müller Immo AG beabsichtigte zunächst, die Betriebsliegenschaft abzureissen und eine moderne Wohnliegenschaft auf dem Grundstück zu errichten. Sie ändert ihr Vorhaben dahingehend, dass neu im Erdgeschoss Ladenlokale und im ersten Stock Büroräumlichkeiten geplant sind.

    Im Fall der Errichtung einer Wohnliegenschaft ist die Müller Immo AG an einer möglichst geringen Vorsteuerbelastung im Zusammenhang mit dem Erwerb der Immobilie interessiert. Bei einer Nutzung im steuerbaren Bereich (Ladenlokale und Büroflächen können optiert vermietet/verkauft werden), spielt die Vorsteuerbelastung eine eher untergeordnete Rolle, da die Müller Immo AG zum Vorsteurabzug berechtigt ist. Die „verdeckt“ überwälzte Mehrwertsteuer aus der Vorsteuerkorrektur der Hans Muster AG führt bei der Müller Immo AG hingegen zu einer definitiven Mehrbelastung.

Sofern die Vertragsparteien keine besondere Vereinbarungen getroffen haben und die MWST im Kaufvertrag nicht ausgewiesen ist, ist der Verkauf als von der Steuer ausgenommene Transaktion zu behandeln.

OPTIERTER VERKAUF EINER IMMOBILIE (ART. 22 ABS. 1 ZIFF. 20 MWSTG)

Als erste Alternative besteht für den steuerpflichtigen Verkäufer einer Immobilie die Möglichkeit, den Verkauf freiwillig der Mehrwertsteuer zu unterstellen („Option“). Voraussetzung für die Wahrnehmung dieses Wahlrechts ist, dass die Immobilie durch den Käufer nicht ausschliesslich zu Wohnzwecken genutzt wird. Erwirbt der Käufer die Immobilie, um sie seinerseits zu Wohnzwecken weitervermieten, ist die Option damit möglich, da der Erwerber selbst die Immobilie nicht ausschliesslich zu Wohnzwecken zu nutzen beabsichtigt.

Der Verkäufer kann auch nur für einen Teil des Verkaufs der Immobilie optieren. Beim Verkauf von bebauten Grundstücken kann der Verkäufer die Vorsteuer auf die direkt mit dem Verkauf zusammenhängenden Kosten ganz oder teilweise (je nach Option) geltend machen.

  • Beispiel 3:

    Die steuerpflichtige Hans Muster AG in Walchwil hält in ihrem Betriebsvermögen eine Immobilie. In der Immobilie befindet sich die Schreinerei der Hans Muster AG. Darüber befindet sich ein Penthouse mit Blick auf den Zugersee. Im Oktober 2014 hatte die Hans Muster AG alle Fenster in der Immobilie erneuern lassen. Die hierfür in Rechnung gestellte MWST hat die Hans Muster AG als Vorsteuer geltend gemacht, soweit die Fenster der Schreinerei betroffen waren. Zum 1. Juli 2024 verkauft die Hans Muster AG die Immobilie an die Müller Immo AG.

    Die Hans Muster hat die Möglichkeit, die Immobilie insgesamt optiert zu verkaufen, da die Müller Immo AG die Penthouse-Wohnung nicht selbst für Wohnzwecke nutzen wird. Durch die optierte Übertragung müsste die Hans Muster AG keine Vorsteuerkorrektur in Bezug auf die im Zusammenhang mit der Erneuerung der Fenster im Bereich der Schreinerei geltend gemachten Vorsteuern vornehmen. Vielmehr liegt hinsichtlich der Penthouse Wohnung eine Nutzungsänderung vor. Diese berechtigt die Hans Muster AG, in Bezug auf die im Zusammenhang mit der Erneuerung der Fenster im Bereich der Penthouse Wohnung nicht geltend gemachte Vorsteuer eine Einlageentsteuerung vorzunehmen (50% der ursprünglich in Rechnung gestellten und bezahlten MWST). Sofern die Müller Immo AG die bisherige Nutzung der Penthouse Wohnung fortführt, führt deren optierte Übertragung bei der Müller Immo AG zu einer Mehrbelastung mit MWST, die sich mutmasslich auf die Kaufpreisverhandlung auswirken wird

    Daneben besteht die Möglichkeit, dass die Hans Muster AG lediglich den Verkauf der Schreinerei optiert und die Penthouse Wohnung nach dem gesetzlichen Grundfall als von der Steuer ausgenommene Leistung überträgt. In diesem Fall hat die Max Muster AG weder eine Eigenverbauchskorrektur noch eine Einlageentsteuerung zu ermitteln.

Der Verkauf mit Option setzt formell lediglich voraus, dass die MWST im Kaufvertrag auf dem Kaufpreis ohne den Wert des Bodens separat ausgewiesen wird oder die Deklaration in der Abrechnung in den Ziffern 200/205 erfolgt.

ÜBERTRAGUNG DER IMMOBILIE IM MELDEVERFAHREN (ART. 38 ABS. 2 MWSTG I.V.M ART. 104 MWSTV)

Bei der Anwendung des Meldeverfahrens erfolgt die Abrechnung der Mehrwertsteuer gegenüber der ESTV durch Meldung statt Zahlung. Das Meldeverfahren bietet daher die Möglichkeit, die Transaktion abzuwickeln, ohne dass der Käufer die Mehrwertsteuer finanzieren muss. Durch die Anwendung des Meldeverfahrens übernimmt der Käufer für die übertragenen Vermögenswerte die Bemessungsgrundlage und den zum Vorsteuerabzug berechtigenden Verwendungsgrad des Verkäufers.

  • Beispiel 4:

    Die steuerpflichtige Hans Muster AG in Walchwil hält in ihrem Betriebsvermögen eine Immobilie. In der Immobilie befindet sich die Schreinerei der Hans Muster AG. Darüber befindet sich ein Penthouse mit Blick auf den Zugersee. Im Oktober 2014 hatte die Hans Muster AG alle Fenster in der Immobilie erneuern lassen. Die hierfür in Rechnung gestellte MWST hat die Hans Muster AG als Vorsteuer geltend gemacht, soweit die Fenster der Schreinerei betroffen waren. Zum 1. Juli 2024 verkauft die Hans Muster AG die Immobilie an die Müller Immo AG. Die Übertragung wird mittels Meldeverfahren abgewickelt.

    Die Müller Immo AG tritt hinsichtlich der Immobilie mehrwertsteuerlich an die Stelle der Hans Muster AG, d.h. sie übernimmt eine Immobilie die im Hinblick auf die Schreinerei im steuerbaren Bereich genutzt wurde und im Hinblick auf das Penthouse im steuerausgenommenen Bereich. Vermietet sie das Penthouse zukünftig optiert an einen Unternehmensberater weiter, kann sie eine Einlageentsteuerung betreffend die Erneuerung der Fenster im 2014 geltend machen. Voraussetzung ist, dass sie nachweisen kann, in welchem Umfang ursprünglich Mehrwertsteuer in Rechnung gestellt und bezahlt wurde.

Im Zusammenhang mit möglichen Nutzungsänderungen nach der Übertragung im Meldeverfahren ist der Nachweis der bisherigen Nutzung durch den Verkäufer von zentraler Bedeutung. Es ist Sache des Käufers, diesen Nachweis zu erbringen. Er hat dafür Sorge zu tragen, dass er alle für eine Nutzungsänderung relevanten Vorsteuerbelege, Nachweise über wertvermehrende Aufwendungen bzw. umfassende Renovationen der letzten 20 Jahre sowie Aufzeichnungen über frühere Vorsteuerkorrekturen erhält.

Kann der Käufer diese Nachweise nicht beibringen, läuft er Gefahr, dass Vorsteuerkorrekturen aufgrund von Nutzungsänderungen auf Grundlage des Kaufpreises berechnet werden. Dabei geht die ESTV von einer bisherigen Nutzung vollumfänglich im steuerbaren Bereich aus.

  • Beispiel 5:

    Im Beispiel 4 kann die Hans Muster AG infolge eines Wassereinbruchs in ihrem Archiv keinerlei Belege beibringen, die die Historie der Immobilie belegen.

    Nutzt die Müller Immo AG das Penthouse weiter für Wohnzwecke, müsste sie mangels Nachweisen der bisherigen Nutzung eine Vorsteuerkorrektur vornehmen. Grundlage bildet der Kaufpreis mit der Hans Muster AG. Vermietet sie das Penthouse zukünftig optiert an einen Unternehmensberater, kann sie keine Einlageentsteuerung geltend machen.

    Dementsprechend sollte das Meldeverfahren bei Immobilientransaktionen mit Vorsicht zur Anwendung gelangen, wenn Unsicherheiten hinsichtlich der bisherigen oder zukünftigen Nutzung bestehen und die Dokumentation Lücken aufweist.

Fazit

Auch wenn es sich bei der vorstehenden Zusammenfassung der mehrwertsteuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten im Zusammenhang mit Immobilientransaktionen nur um einen ersten Überblick handelt, so wird doch deutlich, dass Immobilientransaktionen auch aus Sicht der MWST vorgängig gründlich geprüft werden sollten, um die gebotenen Gestaltungsmöglichkeiten optimal zu nutzen. Nachstehend haben wir die unterschiedlichen Gestaltungsmöglichkeiten nochmals vereinfacht zusammengefasst

 

     

 

Ausgenommene Leistung

Steuerbare Leistung („Option“)

Meldeverfahren

Steuerpflicht des Verkäufers erforderlich?

Nein

Ja

Ja

Steuerpflicht des Käufers erforderlich?

Nein

Nein

Ja

Hinweis/Antrag erforderlich?

Nein

Ja

Ja

Wird MWST zur Zahlung fällig?

Nein

Ja

Nein

Muss Verkäufer u.U. Vorsteeurkorrektur berücksichtigen ?

Nein

Nein

Nein

Kann Verkäufer u.U. Einlageentsteuerung geltend machen ?

Nein

Ja

Nein

Muss Käufer u.U. Vorsteeurkorrektur berücksichtigen ?

Nein

Ja

Ja

Kann Käufer u.U. Einlageentsteuerung geltend machen ?

Nein

Nein

Ja

Ist die mehrwertsteuerliche Historie der Liegenschaft von Bedeutung?

Nein

Nein

Ja