Der steuerfreie Kapitalgewinn ist für Investoren und Unternehmer in der Schweiz attraktiv. Doch was auf den ersten Blick als Vorteil erscheint, kann sich als steuerliche Falle entpuppen. Denn unter bestimmten Umständen werden Veräusserungsgewinne als Einkommen qualifiziert – mit erheblichen steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Folgen. Dieser Beitrag zeigt auf, worauf Beteiligungsinhaber achten sollten.
Private Kapitalgewinne sind in der Schweiz grundsätzlich steuerfrei – ein bedeutender Vorteil für Investoren und Unternehmer. Wie ein kürzlich ergangenes Urteil des Bundesgerichts[1] erneut aufzeigt, ist die Abgrenzung zwischen steuerfreiem Kapitalgewinn und steuerbarem Einkommen in der Praxis jedoch nicht immer eindeutig, was unter Umständen zu unvorhergesehenen Steuerfolgen führen kann. Besonders heikel wird es, wenn der gewerbsmässige Wertschriftenhandel oder eine selbständige Erwerbstätigkeit vermutet wird. Wird ein Kapitalgewinn als steuerpflichtiges Einkommen qualifiziert, können hohe Einkommenssteuern sowie Sozialversicherungsabgaben anfallen. Dieser Beitrag beleuchtet die zentralen Stolpersteine.
Die Realisation eines steuerfreien Kapitalgewinns setzt die (gewinnbringende) Veräusserung von Vermögenswerten des Privatvermögens voraus. Gewinne aus der Veräusserung von Geschäftsvermögen sind demgegenüber einkommenssteuer- und sozialversicherungspflichtig.
Die Annahme von Geschäftsvermögen setzt die Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit voraus. Sofern keine derartige Tätigkeit ausgeübt wird, kann gegen den Willen des Steuerpflichtigen grundsätzlich kein Geschäftsvermögen angenommen werden. Alle Vermögenswerte die gehalten werden, sind demnach Privatvermögen, woraus steuerfreie Kapitalgewinne generiert werden können. Übt eine steuerpflichtige Person – bewusst oder auch unbewusst – eine selbständige Erwerbstätigkeit aus, ist im Einzelfall zu bestimmen, ob ein Vermögenswert dem Privat- oder dem Geschäftsvermögen zuzuordnen ist. Diese Zuordnung hängt von den individuellen Umständen ab, wobei die sogenannte technisch-wirtschaftliche Funktion des betroffenen Vermögenswerts eine zentrale Rolle spielt. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass gerade das Halten und Verwalten von Vermögenswerten selbst – seien es Wertschriften, Liegenschaften oder sonstige Wertaufbewahrungsmittel – unter bestimmten Umständen eine (nebenberufliche) selbständige Erwerbstätigkeit begründen könnten. Der Wille, tatsächlich selbständig erwerbstätig zu sein, ist diesbezüglich nicht entscheidend.
Der Begriff der selbständigen Erwerbstätigkeit ist gesetzlich nicht definiert. Jedoch sind alle Einkünfte aus einem Handels- und Gewerbebetrieb, einem freien Beruf oder einer anderen selbständigen Tätigkeit steuerpflichtig. In der Praxis wird der Begriff der selbständigen Erwerbstätigkeit weit ausgelegt. Demnach sind alle Gewinne aus Tätigkeiten, die über die einfache Verwaltung von Privatvermögen hinausgehen, als steuerbares Einkommen zu betrachten. Dies umfasst auch Kapitalgewinne aus der Veräusserung oder der Nutzung von Geschäftsvermögen.
Die Beurteilung, ob eine selbständige Erwerbstätigkeit vorliegt, erfolgt anhand der gesamten Umstände des Einzelfalls. Das Bundesgericht berücksichtigt dabei folgende Indizien:
Jedes dieser Indizien kann zusammen mit andern, unter Umständen jedoch auch allein zur Annahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit ausreichen. Einzelne typische Elemente einer selbständigen Erwerbstätigkeit, die im Einzelfall nicht erfüllt sind, können durch andere Elemente kompensiert werden, die besonders ausgeprägt vorliegen. Die einzelnen Gesichtspunkte dürfen dabei nicht isoliert betrachtet werden und können auch in unterschiedlicher Intensität auftreten. Entscheidend ist, dass die Tätigkeit in ihrem gesamten Erscheinungsbild auf den Erwerb ausgerichtet ist.
Die Würdigung der Gesamtheit der Umstände ohne klare Vorgabe einer Rangordnung der aufgeführten Indizien erschwert die Beurteilung, ob im Einzelfall eine selbstständige Erwerbstätigkeit vorliegt oder nicht. Da bereits ein einzelnes besonders ausgeprägtes Indiz genügen kann, zeigt, dass die Stufe zur Annahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit sehr tief gesetzt ist. Dies gilt jedenfalls immer dann, wenn die Tätigkeit gewinnbringend erfolgt.
Die Abgrenzung zwischen Privat- und Geschäftsvermögen erfolgt nach der technisch-wirtschaftlichen Funktion des betreffenden Vermögenswerts. Dies bezieht sich auf den Zusammenhang des Vermögenswerts mit einer möglichen selbständigen Erwerbstätigkeit.
Ein hinreichend enger Zusammenhang ist in der Regel zu bejahen, wenn ein Vermögenswert objektiv erkennbar für Geschäftszwecke verwendet wird oder tatsächlich der selbständigen Erwerbstätigkeit dient. Mithin ist danach zu fragen, ob ein Vermögenswert (z.B. eine Beteiligung) der Einnahmensteigerung oder der Aufwandverminderung der selbständigen Geschäftstätigkeit dient. Vermittelt eine Beteiligung massgeblichen Einfluss auf eine Gesellschaft in derselben oder verwandten Branche wie der eigenen, ist dies als Indiz für die Qualifikation als Geschäftsvermögen zu betrachten. Werden zudem eigene Aufträge aus einer solchen Beteiligung generiert, führt dies im Grundsatz zur Bestätigung dieser Vermutung. Dies ist z.B. bei einem Architekten der Fall, der an Immobiliengesellschaften beteiligt ist und aus diesen Architekturaufträge für die eigene Architekturgesellschaft akquiriert.[2]
Zu beachten ist indes, dass nicht nur Beteiligungen in derselben Branche als Geschäftsvermögen qualifizieren können. Auch branchenfremde Beteiligungen können als Geschäftsvermögen betrachtet werden, wenn diese geeignet sind, das Betätigungsfeld der Stammfirma sinnvoll auszuweiten oder zu ergänzen bzw. um die Geschäftstätigkeit zu diversifizieren. Entscheidend ist in jedem Fall der Wille der betroffenen Person, die Beteiligung konkret dafür zu nutzen, das operative Ergebnis des eigenen Unternehmens bzw. dessen Chancen auf dem Markt zu verbessern.
Vor diesem Hintergrund hat das Bundesgericht kürzlich festgehalten [3], dass es selbständigen Anwälten nicht verwehrt ist, Wertpapiere ihrer Mandanten im Privatvermögen zu halten. Das Bundesgericht hat damit die Position des Steuerpflichtigen geschützt und dessen Beschwerde gutgeheissen. In seiner Begründung hielt das Gericht fest, dass die Anwaltstätigkeit, die wiederholte Beratung, die Investitionstätigkeit sowie die Einsitznahme in den Verwaltungsrat per se noch keine hinreichenden Indizien sind, um die Beteiligung der (selbständigen) Geschäftstätigkeit zuzuordnen. Solange mit der Beteiligung keine Einnahmesteigerung oder Aufwandminderung im Rahmen der angestammten Erwerbstätigkeit (vorliegend der Anwaltstätigkeit) bezweckt wird, bestehe kein Raum, von Geschäftsvermögen auszugehen bzw. die Beteiligung der selbständigen Erwerbstätigkeit zuzuordnen. Damit ist die Qualifikation als Geschäftsvermögen gleichwohl nicht ausgeschlossen, da die Beteiligung auch Teil eines Wertschriftenhandels im Sinne einer selbständigen Erwerbstätigkeit bilden könnte. Hierzu was folgt:
In der (gewinnbringenden) Veräusserung von Aktien kann unter Umständen ein gewerbsmässiger Wertschriftenhandel und damit eine selbständige Erwerbstätigkeit erblickt werden. Hierzu werden praxisgemäss folgende Kriterien herangezogen [4]:
In diesem Kontext ist auf ein Urteil des Bundesgerichts hinzuweisen [5], in welchem es sich mit dem Verkauf einer Beteiligung befasste, welche von den Vorinstanzen als gewerbsmässiger Wertschriftenhandel qualifiziert wurde. Konkret erwarb eine anfänglich noch als selbständiger Unternehmensberater tätige Person eine Beteiligung an einer Holding-Gesellschaft, welche zwei Tochtergesellschaften hielt, die in der Verpackungsindustrie tätig waren. Diese Gesellschaften waren wirtschaftlich angeschlagen, weshalb Sanierungsmassnahmen erforderlich waren. Gemeinsam mit einem weiteren Geschäftspartner gelang es der betroffenen Person, die Gesellschaften zu sanieren und alsdann gewinnbringend zu veräussern. Das zuständige Steueramt sowie die Eidgenössische Steuerverwaltung waren der Ansicht, dass bei diesem Vorgehen der Rahmen der privaten Vermögensverwaltung gesprengt sei, womit die realisierte Wertsteigerung nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise ein (nachträgliches) Entgelt für die intensiven Sanierungsbemühungen und damit Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit darstellen würden. Das Bundesgericht hielt diesbezüglich fest, dass es Beteiligungsinhabern steuerlich nicht verwehrt ist, zu versuchen, den Wert der Beteiligung durch Mitwirkung in der Gesellschaft zu steigern.[6] Für eine nachträgliche Umqualifikation des Veräusserungsgewinns in ein Entgelt für geleistete Arbeit bestand im konkreten Fall mithin keine Grundlage, womit der Gewinn als steuerfreier Kapitalgewinn vereinnahmt werden konnte.
Obwohl der Begriff «Händler» oft mit wiederholten Käufen und Verkäufen verbunden wird, kann auch der einmalige Verkauf eines Vermögenswerts unter bestimmten Umständen als selbständige Erwerbstätigkeit angesehen werden. Fraglich ist aus steuerlicher Sicht, ob schon der einmalige Verkauf eines Vermögenswerts zur Annahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit als Händler führen kann.
Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung schützt der bloss einmalige Verkauf eines Vermögenswerts grundsätzlich nicht vor der Begründung einer selbständigen Erwerbstätigkeit. So kann der Verkauf einer einzigen Liegenschaft oder der (Teil)Verkauf einer Beteiligung zur Annahme einer selbständigen (Neben)Erwerbstätigkeit führen. Dies erfordert jedoch, dass der entsprechende Vermögenswert im Rahmen einer planmässigen, auf Erwerb ausgerichteten Tätigkeit angeschafft und mit Blick auf einen künftigen gewinnbringenden Verkauf bewirtschaftet wurde. Ein steuerfreier Kapitalgewinn aus dem Verkauf eines einzelnen Vermögenswerts ist nur möglich, wenn der Verkauf der privaten Vermögensverwaltung zugeordnet werden kann. Dies ist der Fall, wenn lediglich eine sich bietende Gelegenheit genutzt wird, wobei die Beweislast bei der steuerpflichtigen Person liegt. Solange die Grenze zur selbständigen Erwerbstätigkeit nicht überschritten wird, dürfte eine gewisse vermögensverwaltende Tätigkeit in Bezug auf den zu veräussernden Vermögenswert nicht schädlich sein. Dabei sind jedoch immer die Umstände des konkreten Einzelfalls zu würdigen.
Wird hauptberuflich eine unselbständige Erwerbstätigkeit ausgeübt, ist nach bundegerichtlicher Rechtsprechung nur in besonderen Fällen, eine nebenberufliche selbständige Erwerbstätigkeit anzunehmen. Als Indizien fallen diesbezüglich eine allfällige Fremdfinanzierung, eingegangene Risiken oder ein besonders systematisches oder planmässiges Vorgehen besonders ins Gewicht. Die Berufsnähe und eingesetzte Spezialkenntnisse sind ebenfalls als Indizien zu berücksichtigen. Die Höhe des erzielten Gewinns spielt gemäss Bundesgericht hingegen nur eine untergeordnete Rolle.[7]
Ein aktuelles Beispiel liefert das Bundesgericht[8]: In diesem Fall wurde der Gewinn aus einem einmaligen Verkauf einer Beteiligung als Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit qualifiziert. Entscheidend war, dass der Steuerpflichtige über längere Zeit hinweg systematisch und unternehmerisch in das Projekt involviert war, erhebliche finanzielle Mittel investierte, unternehmerische Risiken einging und mit einem erfahrenen Geschäftspartner kooperierte. Trotz fehlender Wiederholung dieser Tätigkeit reichten diese Umstände zur Annahme einer steuerbaren Erwerbstätigkeit aus.
Die Unterscheidung zwischen steuerfreiem Kapitalgewinn und steuerpflichtigem Einkommen ist in vielen Fällen komplex und von verschiedenen Indizien abhängig. Um einen steuerfreien Kapitalgewinn zu realisieren, ist es wichtig, die relevanten Kriterien genau zu prüfen und gegebenenfalls rechtzeitig Massnahmen zu ergreifen, um steuerliche Nachteile zu vermeiden. Eine frühzeitige und vorausschauende Planung ist angesichts der Steuerfolgen bei Verweigerung der steuerfreien Behandlung von Kapitalgewinnen unerlässlich. Dies gilt umso mehr als auf dem Veräusserungsgewinn neben den Einkommenssteuern auch Sozialversicherungsabgaben geschuldet sind.
[1] Vgl. Urteil BGer 9C_454/2023 vom 11. Dezember 2024.
[2] Vgl. Urteil BGer 2A.547/2004 vom 22. April 2005.
[3] Vgl. Urteil BGer 9C_454/2023 vom 11. Dezember 2024.
[4] Vgl. Kreisschreiben der ESTV Nr. 36, Ziff. 4.3.2.
[5] Vgl. Urteil BGer 2C_115/2012 und 2C_116/2012 vom 25. September 2012.
[6] Vgl. Urteil BGer 2C_115/2012 und 2C_116/2012 vom 25. September 2012 E. 2.5.3.
[7] Vgl. insb. Urteil BGer 9C_403/2023 vom 25. Juni 2024 E. 5.5.
[8] Vgl. insb. Urteil BGer 9C_403/2023 vom 25. Juni 2024.
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