Mehrwertsteuer und Immobilien zählt zu den Dauerbrennern in der Beratung. Die Regelungen sind im Detail komplex und die Beträge für einzelne Transaktionen vergleichsweise hoch. In loser Folge stellen wir in unserem Blog relevante Problemfelder vor und erörtern, worauf zu achten ist. Im ersten Teil beschäftigten wir uns mit mehrwertsteuerlichen Fragen im Zusammenhang mit der Übertragung von Immobilien.

Drei mögliche formen der übertragung

Grundsätzlich bestehen drei Möglichkeiten, den Verkauf einer Immobilie mehrwertsteuerlich abzubilden:

  1. Den gesetzlichen vorgesehenen Grundfall bildet die von der Steuer ausgenommene Leistung nach Art. 21 Abs. 2 Ziff. 20 MWSTG
  2. Als Variante besteht grundsätzlich die Möglichkeit einer Übertragung als freiwillig versteuerte („optierte“) Leistung nach Art. 22 Abs. 1 MWSTG
  3. Schliesslich können sich die Parteien unter gewissen Voraussetzungen für die Anwendung des Meldeverfahrens nach Art. 38 MWSTG i.V.m. Art. 104 MWSTV entscheiden.

Verkauf einer Immobilie als von der Steuer ausgenommene Lieferung (Art. 21 AbS. 2 Ziff. 20 MWSTG)

Die Übertragung als von der Steuer ausgenommene Leistung bedeutet, dass das Verkaufsgeschäft selbst keine Mehrwertsteuer auslöst. Da die Leistung selbst „nicht steuerbar“ ist, kann der (steuerpflichtige) Verkäufer auf den vorsteuerbelasteten Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Transaktion keinen Vorsteuerabzug geltend machen.

Hat der (steuerpflichtige) Verkäufer die Immobilie bis zum Verkauf (ganz oder teilweise) für zum Vorsteuerabzug berechtigende Zwecke genutzt, stellt der Verkauf als steuerausgenommene Leistung eine „Nutzungsänderung“ dar (Nutzung alt: teils oder ganz zum Vorsteuerabzug berechtigend, Nutzung neu: nicht zum Vorsteuerabzug berechtigend). Entsprechend muss der Verkäufer eine Vorsteuerkorrektur aufgrund Eigenverbrauchs nach Art. 31 MWSTG vornehmen.

  • Beispiel 1:

    Die steuerpflichtige Hans Muster AG in Walchwil hält in ihrem Betriebsvermögen eine Immobilie. In der Immobilie befindet sich die Schreinerei der Hans Muster AG. Im Oktober 2014 hatte die Hans Muster AG das Dach der Immobilie neu decken lassen. Die hierfür in Rechnung gestellte MWST hat die Hans Muster AG als Vorsteuer geltend gemacht. Zum 1. Juli 2024 verkauft die Hans Muster AG die Immobilie an die Müller Immo AG. Der Verkauf soll nach dem gesetzlichen Grundfall erfolgen.

    Die Hans Muster AG nutzte die Immobilie bis anhin umfassend im steuerbaren Bereich (Schreinerei). Durch den Verkauf als von der Steuer ausgenommene Leistung tritt eine Nutzungsänderung ein. Entsprechend muss die Hans Muster AG den Vorsteuerabzug im Zusammenhang mit der Immobilie korrigieren. Betroffen ist vorliegend der Vorsteuerabzug im Zusammenhang mit der Renovierung des Daches. Der Umfang der Korrektur richtet sich nach dem Zeitwert der Renovierung. Zur Ermittlung des Zeitwertes wird der Vorsteuerbetrag linear für jedes abgelaufene Jahr bei unbeweglichen Gegenständen um 5% reduziert. Die buchmässige Behandlung ist nicht von Bedeutung. Entsprechend hat die Hans Muster AG die ursprünglich in Abzug gebrachte Vorsteuer um 50% zu korrigieren (5% * 10 Jahre, das laufende Jahr der Veräusserung bleibt bei der Ermittlung des Zeitwerts grundsätzlich ausser Betracht).

Der Erwerber übernimmt die Immobilie frei von Mehrwertsteuer. Bei einer Nutzung im nicht steuerbaren Bereich (z.B. als Altersheim) besteht für den Erwerber kein Risiko einer Nutzungsänderung. Andererseits geht auf den Erwerber auch kein Entsteuerungspotential über.

  • Beispiel 2:

    Die Hans Muster AG rechnet die von ihr vorzunehmende Vorsteuerkorrektur in den Verkaufspreis ein. Die Müller Immo AG beabsichtigte zunächst, die Betriebsliegenschaft abzureissen und eine moderne Wohnliegenschaft auf dem Grundstück zu errichten. Sie ändert ihr Vorhaben dahingehend, dass neu im Erdgeschoss Ladenlokale und im ersten Stock Büroräumlichkeiten geplant sind.

    Im Fall der Errichtung einer Wohnliegenschaft ist die Müller Immo AG an einer möglichst geringen Vorsteuerbelastung im Zusammenhang mit dem Erwerb der Immobilie interessiert. Bei einer Nutzung im steuerbaren Bereich (Ladenlokale und Büroflächen können optiert vermietet/verkauft werden), spielt die Vorsteuerbelastung eine eher untergeordnete Rolle, da die Müller Immo AG zum Vorsteurabzug berechtigt ist. Die „verdeckt“ überwälzte Mehrwertsteuer aus der Vorsteuerkorrektur der Hans Muster AG führt bei der Müller Immo AG hingegen zu einer definitiven Mehrbelastung.

Sofern die Vertragsparteien keine besondere Vereinbarungen getroffen haben und die MWST im Kaufvertrag nicht ausgewiesen ist, ist der Verkauf als von der Steuer ausgenommene Transaktion zu behandeln.

OPTIERTER VERKAUF EINER IMMOBILIE (ART. 22 ABS. 1 ZIFF. 20 MWSTG)

Als erste Alternative besteht für den steuerpflichtigen Verkäufer einer Immobilie die Möglichkeit, den Verkauf freiwillig der Mehrwertsteuer zu unterstellen („Option“). Voraussetzung für die Wahrnehmung dieses Wahlrechts ist, dass die Immobilie durch den Käufer nicht ausschliesslich zu Wohnzwecken genutzt wird. Erwirbt der Käufer die Immobilie, um sie seinerseits zu Wohnzwecken weitervermieten, ist die Option damit möglich, da der Erwerber selbst die Immobilie nicht ausschliesslich zu Wohnzwecken zu nutzen beabsichtigt.

Der Verkäufer kann auch nur für einen Teil des Verkaufs der Immobilie optieren. Beim Verkauf von bebauten Grundstücken kann der Verkäufer die Vorsteuer auf die direkt mit dem Verkauf zusammenhängenden Kosten ganz oder teilweise (je nach Option) geltend machen.

  • Beispiel 3:

    Die steuerpflichtige Hans Muster AG in Walchwil hält in ihrem Betriebsvermögen eine Immobilie. In der Immobilie befindet sich die Schreinerei der Hans Muster AG. Darüber befindet sich ein Penthouse mit Blick auf den Zugersee. Im Oktober 2014 hatte die Hans Muster AG alle Fenster in der Immobilie erneuern lassen. Die hierfür in Rechnung gestellte MWST hat die Hans Muster AG als Vorsteuer geltend gemacht, soweit die Fenster der Schreinerei betroffen waren. Zum 1. Juli 2024 verkauft die Hans Muster AG die Immobilie an die Müller Immo AG.

    Die Hans Muster hat die Möglichkeit, die Immobilie insgesamt optiert zu verkaufen, da die Müller Immo AG die Penthouse-Wohnung nicht selbst für Wohnzwecke nutzen wird. Durch die optierte Übertragung müsste die Hans Muster AG keine Vorsteuerkorrektur in Bezug auf die im Zusammenhang mit der Erneuerung der Fenster im Bereich der Schreinerei geltend gemachten Vorsteuern vornehmen. Vielmehr liegt hinsichtlich der Penthouse Wohnung eine Nutzungsänderung vor. Diese berechtigt die Hans Muster AG, in Bezug auf die im Zusammenhang mit der Erneuerung der Fenster im Bereich der Penthouse Wohnung nicht geltend gemachte Vorsteuer eine Einlageentsteuerung vorzunehmen (50% der ursprünglich in Rechnung gestellten und bezahlten MWST). Sofern die Müller Immo AG die bisherige Nutzung der Penthouse Wohnung fortführt, führt deren optierte Übertragung bei der Müller Immo AG zu einer Mehrbelastung mit MWST, die sich mutmasslich auf die Kaufpreisverhandlung auswirken wird

    Daneben besteht die Möglichkeit, dass die Hans Muster AG lediglich den Verkauf der Schreinerei optiert und die Penthouse Wohnung nach dem gesetzlichen Grundfall als von der Steuer ausgenommene Leistung überträgt. In diesem Fall hat die Max Muster AG weder eine Eigenverbauchskorrektur noch eine Einlageentsteuerung zu ermitteln.

Der Verkauf mit Option setzt formell lediglich voraus, dass die MWST im Kaufvertrag auf dem Kaufpreis ohne den Wert des Bodens separat ausgewiesen wird oder die Deklaration in der Abrechnung in den Ziffern 200/205 erfolgt.

ÜBERTRAGUNG DER IMMOBILIE IM MELDEVERFAHREN (ART. 38 ABS. 2 MWSTG I.V.M ART. 104 MWSTV)

Bei der Anwendung des Meldeverfahrens erfolgt die Abrechnung der Mehrwertsteuer gegenüber der ESTV durch Meldung statt Zahlung. Das Meldeverfahren bietet daher die Möglichkeit, die Transaktion abzuwickeln, ohne dass der Käufer die Mehrwertsteuer finanzieren muss. Durch die Anwendung des Meldeverfahrens übernimmt der Käufer für die übertragenen Vermögenswerte die Bemessungsgrundlage und den zum Vorsteuerabzug berechtigenden Verwendungsgrad des Verkäufers.

  • Beispiel 4:

    Die steuerpflichtige Hans Muster AG in Walchwil hält in ihrem Betriebsvermögen eine Immobilie. In der Immobilie befindet sich die Schreinerei der Hans Muster AG. Darüber befindet sich ein Penthouse mit Blick auf den Zugersee. Im Oktober 2014 hatte die Hans Muster AG alle Fenster in der Immobilie erneuern lassen. Die hierfür in Rechnung gestellte MWST hat die Hans Muster AG als Vorsteuer geltend gemacht, soweit die Fenster der Schreinerei betroffen waren. Zum 1. Juli 2024 verkauft die Hans Muster AG die Immobilie an die Müller Immo AG. Die Übertragung wird mittels Meldeverfahren abgewickelt.

    Die Müller Immo AG tritt hinsichtlich der Immobilie mehrwertsteuerlich an die Stelle der Hans Muster AG, d.h. sie übernimmt eine Immobilie die im Hinblick auf die Schreinerei im steuerbaren Bereich genutzt wurde und im Hinblick auf das Penthouse im steuerausgenommenen Bereich. Vermietet sie das Penthouse zukünftig optiert an einen Unternehmensberater weiter, kann sie eine Einlageentsteuerung betreffend die Erneuerung der Fenster im 2014 geltend machen. Voraussetzung ist, dass sie nachweisen kann, in welchem Umfang ursprünglich Mehrwertsteuer in Rechnung gestellt und bezahlt wurde.

Im Zusammenhang mit möglichen Nutzungsänderungen nach der Übertragung im Meldeverfahren ist der Nachweis der bisherigen Nutzung durch den Verkäufer von zentraler Bedeutung. Es ist Sache des Käufers, diesen Nachweis zu erbringen. Er hat dafür Sorge zu tragen, dass er alle für eine Nutzungsänderung relevanten Vorsteuerbelege, Nachweise über wertvermehrende Aufwendungen bzw. umfassende Renovationen der letzten 20 Jahre sowie Aufzeichnungen über frühere Vorsteuerkorrekturen erhält.

Kann der Käufer diese Nachweise nicht beibringen, läuft er Gefahr, dass Vorsteuerkorrekturen aufgrund von Nutzungsänderungen auf Grundlage des Kaufpreises berechnet werden. Dabei geht die ESTV von einer bisherigen Nutzung vollumfänglich im steuerbaren Bereich aus.

  • Beispiel 5:

    Im Beispiel 4 kann die Hans Muster AG infolge eines Wassereinbruchs in ihrem Archiv keinerlei Belege beibringen, die die Historie der Immobilie belegen.

    Nutzt die Müller Immo AG das Penthouse weiter für Wohnzwecke, müsste sie mangels Nachweisen der bisherigen Nutzung eine Vorsteuerkorrektur vornehmen. Grundlage bildet der Kaufpreis mit der Hans Muster AG. Vermietet sie das Penthouse zukünftig optiert an einen Unternehmensberater, kann sie keine Einlageentsteuerung geltend machen.

    Dementsprechend sollte das Meldeverfahren bei Immobilientransaktionen mit Vorsicht zur Anwendung gelangen, wenn Unsicherheiten hinsichtlich der bisherigen oder zukünftigen Nutzung bestehen und die Dokumentation Lücken aufweist.

Fazit

Auch wenn es sich bei der vorstehenden Zusammenfassung der mehrwertsteuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten im Zusammenhang mit Immobilientransaktionen nur um einen ersten Überblick handelt, so wird doch deutlich, dass Immobilientransaktionen auch aus Sicht der MWST vorgängig gründlich geprüft werden sollten, um die gebotenen Gestaltungsmöglichkeiten optimal zu nutzen. Nachstehend haben wir die unterschiedlichen Gestaltungsmöglichkeiten nochmals vereinfacht zusammengefasst

 

     

 

Ausgenommene Leistung

Steuerbare Leistung („Option“)

Meldeverfahren

Steuerpflicht des Verkäufers erforderlich?

Nein

Ja

Ja

Steuerpflicht des Käufers erforderlich?

Nein

Nein

Ja

Hinweis/Antrag erforderlich?

Nein

Ja

Ja

Wird MWST zur Zahlung fällig?

Nein

Ja

Nein

Muss Verkäufer u.U. Vorsteeurkorrektur berücksichtigen ?

Nein

Nein

Nein

Kann Verkäufer u.U. Einlageentsteuerung geltend machen ?

Nein

Ja

Nein

Muss Käufer u.U. Vorsteeurkorrektur berücksichtigen ?

Nein

Ja

Ja

Kann Käufer u.U. Einlageentsteuerung geltend machen ?

Nein

Nein

Ja

Ist die mehrwertsteuerliche Historie der Liegenschaft von Bedeutung?

Nein

Nein

Ja

 

 

Die Welt des E-Commerce hat in den letzten Jahren eine beispiellose Expansion erlebt, wobei digitale Plattformen und Online-Handel den globalen Markt revolutioniert haben. Mit diesem Wachstum sind jedoch auch komplexe Herausforderungen verbunden, insbesondere im Hinblick auf die Mehrwertsteuer (MWST) und deren Anwendung auf grenzüberschreitende Transaktionen. Die dynamische Natur des E-Commerce, kombiniert mit internationalen Geschäftspraktiken, hat zu einer komplexen rechtlichen Landschaft geführt, die Teilnehmer am e-Commerce vor neue Herausforderungen stellt. Der nachstehende Artikel befasst sich in erster mit den mehrwertsteuerlichen Themen im b2c Handel (also beim Verkauf an «Konsumenten», im Gegensatz zu Unternehmungen). Dabei handelt es sich um einen groben ersten Überblick. Die entsprechenden Regelungen sind komplex und sollten daher auf Basis des konkreten Geschäftsmodells im Einzelfall geprüft werden. 

e-Commerce im EU-Raum

Keine Schwellenwerte für Drittländer!

Wer im EU Raum b2b Lieferungen (und bestimmte Dienstleistungen) erbringt, ohne über einen festen Geschäftssitz in der EU zu verfügen, wird gegebenenfalls unmittelbar (also ab dem ersten Euro Um-satz) steuerpflichtig. Sonderregelungen für Kleinunternehmer gelten meist nur für Unternehmen mit Sitz in einem EU-Mitgliedsstaat.

  • Beispiel: Ein Schweizer Händler vertreibt über seinen Webshop Pokémon Sammelkarten ab einem Fulfillment Centre in Deutschland. Kunden sind Privatpersonen in Deutschland, Österreich und den Niederlanden. Der Umsatz beläuft sich im ersten Jahr auf EUR 3’700 p.a.
  • Lösung: Der Händler muss sich in Deutschland für Zwecke der Mehrwertsteuer registrieren.

MWST in 27 Mitgliedstaaten abrechnen: der One Stop Shop

Bei b2c-Lieferungen in verschiedene Mitgliedstaaten (sog. Fernverkäufe oder «distance sales») ab einem EU-Warenlager (verzollte Ware) gilt zunächst der MWST-Satz des Staates, in dem sich das Warenlager befindet.

  • Beispiel: wie oben.
  • Lösung: Der Händler muss in Deutschland die Mehrwertsteuer auf seine Lieferungen abführen. Er schuldet die Mehrwertsteuer zum in Deutschland gültigen Satz für alle Lieferungen, auch die Lieferungen an Kunden in Österreich und den Niederlanden.

Übersteigt der Umsatz aus solchen Fernverkäufen EU-weit EUR 10’000 pro Jahr, gilt der MWST-Satz des Landes, in dem der Kunde ansässig ist. Bis vor kurzem mussten sich e-Commerce Händler unter Umständen in allen Mitgliedstaaten separat mehrwertsteuerlich registrieren, um ihren Melde- und Abrechnungspflichten nachzukommen. Seit 2021 ist es ihnen möglich, ihre Melde- und Abrechnungspflichten über eine zentrale Registrierung zu erledigen, den sog. One Stop Shop („OSS“)

  • Beispiel: wie oben, allerdings erzielt der Händler inzwischen einen Umsatz von EUR 17’000 p.a., wovon EUR 6’000 auf Österreich und EUR 5’000 auf die Niederlande entfallen.

  • Lösung: Der Händler muss in Deutschland die Mehrwertsteuer auf seine Lieferungen an Kunden in Deutschland abführen. Hier schuldet er die Mehrwertsteuer zum in Deutschland gültigen MWST-Satz. Für Lieferungen an Kunden Österreich und den Niederlanden schuldet er die Mehrwertsteuer zum jeweils in Österreich bzw. den Niederlanden gültigen Satz. Der Händler hat die Wahl, sich in Österreich und den Niederlanden zusätzlich mehrwertsteuerlich registrieren zu lassen. Oder er kann sich in Deutschland für den OSS registrieren, um seinen Melde- und Abrechnungspflichten in Österreich und den Niederlanden nachzukommen. Kunden in weiteren Mitgliedstaaten können später ebenfalls über den OSS gemeldet und abgerechnet werden.

Ware aus dem Drittland in die EU liefern: der Import One Stop Shop

Wie Fernverkäufe innerhalb der EU unterliegen auch Fernverkäufe aus einem Drittland der Mehrwertsteuer zu dem MWST-Satz, der in dem Land des Kunden anwendbar ist. Bis zu einem Warenwert von EUR 150 haben Händler die Möglichkeit, die entsprechenden Fernverkäufe über den sogenannten Import One Stop Shop (IOSS) abzuwickeln.

Wird auf die Anwendung des IOSS verzichtet, kann ein Sonderregelung zur Anwendung kommen, wonach die Einfuhrsteuer durch den Spediteur direkt beim jeweiligen Kunden kassiert wird. Regelmässig stellen Spediteure ihre Verzollungs-Leistungen den Kunden zusätzlich in Rechnung – so dass dieses Vorgehen aus Kundensicht teuer und wenig transparent scheint.

Schliesslich besteht die Möglichkeit, dass der Fernverkäufer sich in den jeweiligen Mitgliedsstaaten seiner Kunden registriert und seine Lieferungen selbst gegenüber den nationalen Steuerbehörden abrechnet.

  • Beispiel: Ein Schweizer Händler verkauft über seinen Webshop Pokémon Sammelkarten ab Lager in der Schweiz an Konsumenten in Österreich, Deutschland und den Niederlanden. Der Warenwert der einzelnen Sendungen liegt zwischen EUR 45 und EUR 85. 
  • Lösung: Der Händler kann sich für den IOSS anmelden (hierfür hat er einen in der EU ansässigen Vertreter zu benennen). Die Warenlieferungen sind von der Einfuhrsteuer befreit, die nationale MWST in Österreich, Deutschland und den Niederlanden wird über den IOSS gemeldet und abgerechnet.

    Alternativ hat der Händler die Möglichkeit, die «Sonderregelungen bei der Einfuhr von Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 Euro» (so die Bezeichnung im entsprechenden § 21a des deutschen Umsatzsteuergesetzes) anzuwenden. In diesem Fall vereinnahmt der Spediteur die Steuer (und allfällige Bearbeitungszuschläge) direkt beim Kunden.

    Drittens besteht noch die Möglichkeit für den Schweizer Händler, sich in Österreich, Deutschland und den Niederlanden mehrwertsteuerlich zu registrieren und die MWST lokal abzurechnen

Plattformbesteuerung

Sonderregelungen gelten in der EU seit einigen Jahren für Fernverkäufe, die über sog. „elektronische Schnittstellen“ angebahnt oder abgewickelt werden, sofern die Ware innerhalb der EU versendet wird und der Verkäufer selbst Drittländer ist. Als elektronische Schnittstelle gelten etwa ein elektronischer Marktplatz oder eine elektronische Plattform, die es Käufer und Verkäufer ermöglicht, in Kontakt zu treten, woraus eine Lieferung von Gegenständen an diesen Leistungsempfänger resultiert (beispielsweise Amazon Marketplace, ebay oder Alibaba).

  • Beispiel: Ein Schweizer Händler vertreibt über einen von einem Dritten betriebenen Online-Marktplatz Pokémon Sammelkarten ab einem Lager in Deutschland. Kunden sind Privatpersonen in Deutschland, Österreich und den Niederlanden. 

In Fällen, in denen eine elektronische Schnittstelle in diesem Sinne in die Lieferkette  einbezogen wird, kommt es zu einer sog. „Lieferkettenfiktion“: Während tatsächlich lediglich ein einziges Verkaufsgeschäft vorliegt, werden für umsatzsteuerliche Zwecke zwei Lieferungen fingiert, indem eine (erste) Lieferung von dem Unternehmer an den Betreiber der elektronischen Schnittstelle sowie eine (zweite) Lieferung von dem Betreiber der elektronischen Schnittstelle an den Enderwerber angenommen werden. Die fingierte Lieferung des nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässigen Onlinehändlers an den Betreiber der elektronischen Schnittstelle ist von der MWST befreit. Die Lieferung der elektronischen Schnittstelle an den Endkunden folgt den allgemeinen Grundsätzen für Fernverkäufe.

  • Beispiel: wie vor.
  • Lösung: Es kommt zu einer Lieferkettenfiktion, bei der eine Lieferung des Schweizer Händlers an den Betreiber des Online-Marktplatzes und von dem Betreiber des Online-Marktplatzes an den Endkunden fingiert wird. Die Lieferung des Schweizer Händlers an den Betreiber des Online-Marktplatzes ist von der MWST befreit. Die Lieferung des Betreibers des Online-Marktplatzes an den Endkunden unterliegt der MWST zu dem MWST-Satz, der in dem Land Anwendung findet, in dem der Endkunde ansässig ist.

Fazit

Dropshipping und andere moderne Vertriebskanäle bieten verlockende Möglichkeiten, neue Einkommensquellen zu erschliessen. Dabei ist es unerlässlich, von Beginn an die (mehrwert-) steuerlichen Folgen zu berücksichtigen. Wer wartet, bis sein Geschäft eine kritische Grösse erreicht hat, läuft seinen eigenen Versäumnissen aus der Vergangenheit hinterher. Mit einem klugen Setup lassen sich das Geschäft ohne grössere Risiken skalieren und der administrative Aufwand in vertretbarem Rahmen halten.

Das Bundesgericht hat in einem kürzlich ergangenen Urteil (BGer 9C_154/2023 vom 3. Januar 2024) die Zulässigkeit des Vorsteuerabzugs bei der Bezugsteuer (Mehrwertsteuer auf Dienstleistungsbezüge aus dem Ausland) für Beraterleistungen im Zusammenhang mit der Veräusserung von Beteiligungen behandelt. Demnach ist eine in der Schweiz mehrwertsteuerpflichtige Person nur berechtigt, die deklarierte Bezugsteuer als Vorsteuer geltend zu machen, wenn die entsprechenden Leistungen in einem Zeitraum erbracht wurden, in dem die steuerpflichtige Person bereits mehrwertsteuerpflichtig (registriert) war. Der Nachweis hierfür obliegt der steuerpflichtigen Person.

Sachverhalt

Die A AG, die sich erst per 1. April 2019 in das MWST-Register als Steuerpflichtige eintragen liess, plante den Verkauf von Anteilen an zwei Gesellschaften. Dazu beauftragte sie zur Vorbereitung, Planung und Durchführung der Veräusserung mehrere ausländische Dienstleister, die je nach Expertise in den Bereichen Investment, Prüfung und Steuern sowie Recht beraten sollten. Die Beratungsverträge zwischen der A AG und den Beratern wurden in den Jahren 2014 bzw. 2018 abgeschlossen, also noch bevor die A AG als mehrwertsteuerpflichtige registriert war. Das Projekt wurde dann im Mai 2019 durch den erfolgreichen Verkauf der Anteile abgeschlossen. Alle Berater fakturierten Ihre Leistungen nach dem 1. April 2019, wobei die nunmehr Steuerpflichtige A AG ordnungsgemäss die Bezugssteuer deklarierte und den daraus resultierenden MWST-Betrag als Vorsteuer wieder geltend machte. Während der Dauer des Projektes von 2014 bis Mai 2019 wurden keine dieser bezogenen Dienstleistungen aktiviert.

Die ESTV verweigerte nach Prüfung den Vorsteuerabzug grösstenteils mit dem Argument, dass die Steuerpflichtige nur diejenigen Vorsteuern zum Abzug bringen könne, welche (unabhängig vom Rechnungsdatum) tatsächlich erst nach deren Eintragung ins MWST-Register am 1. April 2019 (Stichtag) erbracht worden waren. Aufgrund fehlender Detailinformationen dazu, welcher Berater welche Leistungen zu welchem Zeitpunkt genau erbracht hat, ging die ESTV methodisch von einem gleichmässigen, linearen Bezug der Dienstleistungen nach Massgabe der Zeitdauer der Verträge aus (pro rata temporis). Somit sei der Vorsteuerabzug nur insoweit zuzulassen, als nach dieser proportionalen Aufteilung der Honorare die Leistungen nach dem Stichtag erbracht worden sind.

Erwägungen des Bundesgerichts

Erfordernis einer bestehenden Steuerpflicht während Leistungsbezug

Die Position der ESTV, wonach das Recht auf Vorsteuerabzug nur solche Leistungen umfassen kann, die während bestehender Steuerpflicht bezogen wurden, wurde im Verfahren vor dem Bundesgericht nicht (mehr) bestritten.

Nachweis des Zeitpunkts des Leistungsbezugs

Das Gericht fokussierte sich demnach auf die Frage um den Nachweis, wann die Beratungsleistungen effektiv erbracht wurden. Dem Grundsatz folgend, dass abgabebegründende und abgabeerhöhende Tatsachen von der Steuerbehörde, abgabemindernde und abgabeausschliessende Tatsachen von der abgabepflichtigen Person nachzuweisen sind, sah das Gericht die A AG in der Beweispflicht, dass die Leistungen aus den lange vor erfolgter MWST-Registrierung abgeschlossenen Beraterverträgen erst nach Eintragung in das Register der steuerpflichtigen Personen erbracht worden waren. Diesen Nachweis sei die A AG schuldig geblieben. Mangels anderer Anhaltspunkte sei der Ansatz ESTV, die von einer kontinuierlichen Leistungserbringung über den Zeitraum seit Vertragsabschluss ausging und entsprechend die Entgelte «pro-rata-temporis» aufteilte, vorliegend nicht zu beanstanden.

Einlageentsteuerung

Im Sinne eines Eventualantrages hatte die A AG argumentiert, ihr stünde ein Anspruch auf Einlageentsteuerung zu. Es handelt sich hierbei um die Möglichkeit, den Vorsteuerabzug (anteilig) zu einem späteren Zeitpunkt als dem Leistungsbezug zu korrigieren, wenn die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug nachträglich noch eintreten, Art. 32 MWSTG.

Auf in Gebrauch genommene Gegenstände und Dienstleistungen kann der Vorsteuerabzug korrigiert werden, wenn diese in dem Zeitpunkt, in dem die Voraussetzungen des Vorsteuerabzug neu vorliegen, noch vorhanden sind und einen Zeitwert haben, Art. 72 Abs. 2 Satz 1 MWSTV.

Allerdings gilt bei Dienstleistungen in den Bereichen Beratung, Buchführung Personalbeschaffung, Management und Werbung eine gesetzliche Vermutung, dass sie bereits im Zeitpunkt ihres Bezugs verbraucht und nicht mehr vorhanden sind, Art. 72 Abs. 2 Satz 2 MWSTV. Die Norm kodifiziert nach Auffassung des Gerichts, einzig bezogen auf die mehrwertsteuerliche Behandlung, gewissermassen eine Pflicht zur Sofortabschreibung. Die buchmässige Behandlung (die Art. 70 Abs. 1 Satz 1 MWSTV grundsätzlich vorschreibt) wird durch diese Spezialnorm ausgehebelt.  

Fazit

Die grundsätzlich großzügigen Regelungen zum Vorsteuerabzug in der Schweiz können zuweilen zu einer gewissen Sorglosigkeit im Bereich der Mehrwertsteuer führen. Das Urteil verdeutlicht, dass eine frühzeitige Mehrwertsteuer-Registrierung der beteiligten Parteien im Zusammenhang mit potenziellen Transaktionen stets sorgfältig geprüft werden sollte und meist auch empfehlenswert sein dürfte.

Das Urteil hat nicht nur Relevanz im Kontext von Transaktionen, sondern beispielsweise auch bei Unternehmensgründungen, insbesondere wenn nicht zwangsläufig von einer obligatorischen Steuerpflicht zu Beginn der unternehmerischen Tätigkeit ausgegangen wird.

Zusätzlich zeigt das Urteil, dass besondere Aufmerksamkeit auf die Dokumentation des Zeitpunktes der Leistungserbringung gelegt werden sollte – beispielsweise durch detaillierte Rechnungsstellung oder die Dokumentation bestimmter „Project Milestones“.

Unter dem aktuellen MWSTG ist das Recht zum Vorsteuerabzug weit gefasst. Demnach kann der Steuerpflichtige im Rahmen seiner unternehmerischen Tätigkeit grundsätzlich die ihm in Rechnung gestellte und von ihm bezahlte Vorsteuer in Abzug bringen, Art. 28 Abs. 1 MWSTG. Erforderlich ist jedoch u.a., dass die Vorsteuer im Rahmen der „unternehmerischen Tätigkeit“ des Steuerpflichtigen angefallen ist. Naturgemäss drängt sich damit die Frage auf, wie der unternehmerische vom nicht-unternehmerischen Bereich abzugrenzen ist.

Mit dieser Abgrenzung des unternehmerischen vom nicht-unternehmerischen Bereich und den entsprechenden Folgen für den Vorsteuerabzug hat sich das Bundesgericht in seinem Urteil 9C_651/2022 auseinandergesetzt.

Hintergrund

Beschwerdeführer in dem zugrunde liegenden Streitfall war ein Verein, dessen Vereinszweck die Unterstützung und Förderung kirchlicher und gemeinnütziger Anliegen im In- und Ausland war. Für die Erreichung des Vereinszwecks veranstaltete der Verein christliche Musicals. Die Musicals finanzierten sich zu ca. 70% durch Spenden, Eintrittsentgelte wurden nicht erhoben.

Neben den Spendeneinnahmen erzielte der Verein auch Entgelte aus Leistungen, beispielsweise dem Verkauf von Lebensmitteln im Kontext mit den Musicals, dem Verkauf von anderen Gegenständen (bspw. Bücher; T-Shirts), aus Bekanntmachungsleistungen (Sponsoring) zugunsten von Firmen sowie Beherbergungsleistungen. Anlässlich einer MWST-Kontrolle versagte die ESTV dem Verein den Vorsteuerabzug im Zusammenhang mit der Durchführung der Musicals. Hiergegen wandte sich der Verein.

ENTSCHEID DES BUNDESGERICHTS
Das Bundesgericht verweist auf seine bisherige Rechtsprechung, wonach ein Unternehmensträger neben dem unternehmerischen auch einen nicht-unternehmerischen Bereich unterhalten kann. Dabei sei aber dem Umstand Rechnung zu tragen, dass das Unternehmen im Grundsatz eine wirtschaftliche Einheit darstelle, welcher alle Aktivitäten zuzuordnen sind, die einen Zusammenhang mit der unternehmerischen Tätigkeit aufweisen.

Ein etwaiger nicht-unternehmerischer Bereich sei demnach dadurch gekennzeichnet, dass die betreffende Unternehmenseinheit entweder überhaupt keine Einnahmen aus Leistungen bewirkt oder diese zumindest in nicht nachhaltiger Art anfallen. Von einem eigenständigen nicht-unternehmerischen Bereich dürfe mithin erst ausgegangen werden, wenn die Trennung ausreichend klar vollzogen werden könne – sei dies aufgrund einer nach aussen deutlich erkennbaren separaten Tätigkeit oder einer klaren Zweckbestimmung, die von jener der unternehmerischen Tätigkeit abweiche. Fehle es daran, bleibe es nach dem Grundsatz der „Einheit des Unternehmens“ bei einem einzigen, und zwar unternehmerischen Bereich.

Vorliegend liege der Hauptzweck der Durchführung der christlichen Musicals in der gemeinnützigen bzw. ideellen Tätigkeit des Vereins – und nicht im Verkauf von Lebensmitteln, Büchern oder T-Shirts bzw. in der Erbringung von Bekanntmachungs- und Beherbergungsleistungen. Mit den Musicals verfolge der Verein mithin ideelle Zwecke und nicht die Erzielung von Einnahmen. Insofern fehle es demnach an der unternehmerischen Tätigkeit.

Damit könne die ideelle Zweckbestimmung der Musicalaufführungen klar von jener der unternehmerischen Tätigkeit des Vereins (Verkauf von Lebensmitteln etc.) unterschieden werden und dürfe eine Trennung zwischen dem eher kleinen unternehmerischen Bereich und dem deutlich grösseren nicht-unternehmerischen Bereich vorgenommen werden. Unbeachtlich sei die enge faktische Verknüpfung der unternehmerischen und der nicht-unternehmerischen Aktivitäten: Der Verein führe die Musicals nicht auf, um seine unternehmerische Tätigkeit zu fördern, sondern nehme anlässlich der (ideell motivierten) Aufführungen lediglich die Gelegenheit wahr, eine untergeordnete unternehmerische Tätigkeit auszuüben.

Fazit

Im Ergebnis bestätigt das Bundesgericht seine bisherige Rechtsprechung zur Abgrenzung des unternehmerischen vom nicht-unternehmerischen Bereich. Die Argumentation scheint dabei nicht unwesentlich getrieben von Erwägungen, „unlautere“ Steuervorteile zu erzielen, indem ein vergleichsweise untergeordneter unternehmerischer Bereich herangezogen wird, um im vermeintlich nicht-unternehmerischen Bereich angefallene Vorsteuer in Abzug bringen zu können.

HINTERGRUND
Subvention und Spende stellen aus Sicht der Mehrwertsteuer sogenannte „Nicht-Entgelte“ dar. Das heisst, sie gelten als Mittelflüsse, denen keine Gegenleistung gegenübersteht. Als Nicht-Entgelte unterliegen Subvention und Spende gleichermassen nicht der Mehrwertsteuer. Dagegen unterscheiden sich Subvention und Spende auf Stufe des Vorsteuerabzugs. Während Spenden zu keiner Vorsteuerkürzung führen, lösen Subventionen das Erfordernis einer entsprechenden Vorsteuerkürzung aus. Die Abgrenzung zwischen Spende und Subvention erfolgt einerseits danach, ob es sich beim Zuwendenden um ein „Subjekt des öffentlichen Rechts“ (nachfolgend „Gemeinwesen“) handelt. So gelten entsprechende Zuwendungen, die nicht von einem Gemeinwesen entrichtet werden, grundsätzlich als Spenden. Erfolgt die Zuwendung hingegen durch ein Gemeinwesen, kann daraus nicht automatisch geschlossen werden, dass es sich um eine Subvention handelt, da auch Gemeinwesen in der Lage sein sollen, im Sinne der Mehrwertsteuer zu „spenden“. Jüngst hatte sich das Bundesgericht erneut mit der Frage der Abgrenzung von Spende und Subvention auseinanderzusetzen.
BG ENTSCHEID 9C_609/2022
Sachverhalt
Im vorliegenden Bundesgerichtsfall 9C_609/2022 beabsichtigte die privatrechtlich organisierte Steuerpflichtige, deren statutarischer Zweck in der Bereitstellung von Lehr-, Forschungs- und Dienstleistungsinfrastrukturen für die Schulmedizin besteht, auf einem Grundstück im Eigentum des Kanton ZH einen Campus zu errichten. Für dieses Bauvorhaben erhielt die Steuerpflichtige vom Lotteriefonds des Kantons Zürich einen Investitionsbetrag von CHF 9‘000‘000.

Im Rahmen einer Kontrolle stellte sich die ESTV auf den Standpunkt, dass die Steuerpflichtige den Investitionsbeitrag des Lotteriefonds zu Unrecht als Spende und nicht als Subvention qualifiziert und deshalb zu Unrecht keine Kürzung des Vorsteuerabzugs vorgenommen habe. Insbesondere machte die ESTV geltend, der Betrag beruhe auf einer gesetzlichen Grundlage und sei zudem zweckgebunden, nämlich als Investitionsbeitrag für den Bau des muskuloskelettalen Forschungs- und Entwicklungszentrums, dessen Tätigkeit als im öffentlichen Interesse liegend betrachtet werden könne. Die Steuerpflichtige argumentierte, dass die Mittel als Spende zu würdigen seien und nicht als öffentlich-rechtlicher Beitrag im Sinne einer Subvention.

Dementsprechend war im vorliegenden Fall streitig, ob der Lotteriefonds einen vorsteuerwirksamen öffentlich-rechtlichen Beitrag (Subvention) oder eine vorsteuerneutrale Spende erbracht hatte.

Entscheid des Bundesgerichts
Generell hält das Bundesgericht fest, dass eine (steuerneutrale) Spende dann vorliege, wenn eine freiwillige Zuwendung mit der Absicht erfolgt, die empfangende Person zu bereichern, ohne dass damit die Erwartung einer Gegenleistung im mehrwertsteuerlichen Sinne einhergeht. Die spendenempfangende Person kann weitgehend nach Gutdünken über die Mittel verfügen, was nicht ausschliesst, dass Spenden im Hinblick auf ein bestimmtes Projekt getätigt werden. Die begünstigte Person unterliegt grundsätzlich keiner gesetzlich normierten Verhaltenspflicht. Demnach können grundsätzlich auch Gemeinwesen Spenden tätigen.

Das Bundesgericht prüft drei wesentliche Abgrenzungskriterien von der Subvention zur Spende:

    1. Werden die Mittel von einem Gemeinwesen zur Verfügung gestellt?
    2. Beruht die Zuwendung der Mittel auf einer gesetzlichen Grundlage?
    3. Werden die Mittel ohne Erwartung einer konkreten Gegenleistung zugesprochen?
Die ersten beiden Kriterien seien nach Ansicht des Gerichts vorliegend relativ unproblematisch erfüllt. Der Lotteriefonds stelle sich als verlängerter Arm des Kantons ZH dar und auch an der gesetzlichen Grundlage für die Zuwendung fehlte es vorliegend nicht. Massgeblich für die Abgrenzung zwischen Spende und Subvention war nach Ansicht des Gerichts vorliegend, ob die Zuwendung in Erwartung einer individuell-konkreten Gegenleistung erfolgte. Konkret beurteilte das Gericht die Frage, ob die Empfängerin der Zuwendung über diese „frei und nach Gutdünken“ verfügen konnte. Im Ergebnis verneint es dies, da „die Erwartungen seitens des Kantons Zürich zwangsläufig weiter reichen [mussten], indem beträchtliche öffentliche Mittel auf dem Spiel stehen, die haushälterisch zu verwenden und zielgerichtet einzusetzen sind». Es könne „dem Kanton Zürich nicht unterstellt werden, die Mittel gesprochen und deren Verwendung weitgehend der Steuerpflichtigen überlassen zu haben.“ Damit aber sei eine Spende ausgeschlossen, da „im Fall einer Spende […] zu erwarten [sei], dass sie frei von einer rechtlich durchsetzbaren Verhaltensbindung erfolgt, abgesehen davon, dass die Mittel sachgemäss eingesetzt werden.“
FAZIT
Das Urteil des Bundesgerichts wirft Fragen auf. An den entscheidenden Stellen stützt sich das Gericht eher auf Mutmassungen, als dass es seine entscheiderheblichen Erwägungen belegt. Unscharf ist im Vorliegenden insbesondere die Abgrenzung von der „projektbezogenen Spende“ zur Subvention (wobei das Gericht ausdrücklich anerkennt, dass es projektbezogene Spenden geben kann). Steuerpflichtige, die Zuwendungen erhalten, die im weitesten Sinne als durch ein Gemeinwesen bewirkt gelten könnten, sollten ihre Position aus Sicht der Mehrwertsteuer überprüfen. Werden solche Mittel neu gesprochen, sollten entsprechende Verträge dahingehend geprüft werden, ob sie hinreichend klar formuliert sind, um trennscharf von Spende oder Subvention ausgehen zu können. Subventionen sollen auch Bestandteil der Teilrevision des Mehrwertsteuergesetzes sein. Ob dadurch mehr Klarheit geschaffen wird, bleibt abzuwarten.