Der steuerfreie Kapitalgewinn ist für Investoren und Unternehmer in der Schweiz attraktiv. Doch was auf den ersten Blick als Vorteil erscheint, kann sich als steuerliche Falle entpuppen. Denn unter bestimmten Umständen werden Veräusserungsgewinne als Einkommen qualifiziert – mit erheblichen steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Folgen. Dieser Beitrag zeigt auf, worauf Beteiligungsinhaber achten sollten.

Steuerfreier Kapitalgewinn: Wann wird es problematisch?

Private Kapitalgewinne sind in der Schweiz grundsätzlich steuerfrei – ein bedeutender Vorteil für Investoren und Unternehmer. Wie ein kürzlich ergangenes Urteil des Bundesgerichts[1] erneut aufzeigt, ist die Abgrenzung zwischen steuerfreiem Kapitalgewinn und steuerbarem Einkommen in der Praxis jedoch nicht immer eindeutig, was unter Umständen zu unvorhergesehenen Steuerfolgen führen kann. Besonders heikel wird es, wenn der gewerbsmässige Wertschriftenhandel oder eine selbständige Erwerbstätigkeit vermutet wird. Wird ein Kapitalgewinn als steuerpflichtiges Einkommen qualifiziert, können hohe Einkommenssteuern sowie Sozialversicherungsabgaben anfallen. Dieser Beitrag beleuchtet die zentralen Stolpersteine.

Privatvermögen vs. Geschäftsvermögen

Die Realisation eines steuerfreien Kapitalgewinns setzt die (gewinnbringende) Veräusserung von Vermögenswerten des Privatvermögens voraus. Gewinne aus der Veräusserung von Geschäftsvermögen sind demgegenüber einkommenssteuer- und sozialversicherungspflichtig.

Die Annahme von Geschäftsvermögen setzt die Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit voraus. Sofern keine derartige Tätigkeit ausgeübt wird, kann gegen den Willen des Steuerpflichtigen grundsätzlich kein Geschäftsvermögen angenommen werden. Alle Vermögenswerte die gehalten werden, sind demnach Privatvermögen, woraus steuerfreie Kapitalgewinne generiert werden können. Übt eine steuerpflichtige Person – bewusst oder auch unbewusst – eine selbständige Erwerbstätigkeit aus, ist im Einzelfall zu bestimmen, ob ein Vermögenswert dem Privat- oder dem Geschäftsvermögen zuzuordnen ist. Diese Zuordnung hängt von den individuellen Umständen ab, wobei die sogenannte technisch-wirtschaftliche Funktion des betroffenen Vermögenswerts eine zentrale Rolle spielt. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass gerade das Halten und Verwalten von Vermögenswerten selbst – seien es Wertschriften, Liegenschaften oder sonstige Wertaufbewahrungsmittel – unter bestimmten Umständen eine (nebenberufliche) selbständige Erwerbstätigkeit begründen könnten. Der Wille, tatsächlich selbständig erwerbstätig zu sein, ist diesbezüglich nicht entscheidend.

Selbständige Erwerbstätigkeit

Der Begriff der selbständigen Erwerbstätigkeit ist gesetzlich nicht definiert. Jedoch sind alle Einkünfte aus einem Handels- und Gewerbebetrieb, einem freien Beruf oder einer anderen selbständigen Tätigkeit steuerpflichtig. In der Praxis wird der Begriff der selbständigen Erwerbstätigkeit weit ausgelegt. Demnach sind alle Gewinne aus Tätigkeiten, die über die einfache Verwaltung von Privatvermögen hinausgehen, als steuerbares Einkommen zu betrachten. Dies umfasst auch Kapitalgewinne aus der Veräusserung oder der Nutzung von Geschäftsvermögen.

Die Beurteilung, ob eine selbständige Erwerbstätigkeit vorliegt, erfolgt anhand der gesamten Umstände des Einzelfalls. Das Bundesgericht berücksichtigt dabei folgende Indizien:

  • Systematische oder planmässige Art und Weise des Vorgehens
  • Häufigkeit der Transaktionen
  • Kurze Besitzdauer
  • Enger Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit der steuerpflichtigen Person
  • Spezielle Fachkenntnisse
  • Einsatz erheblicher fremder Mittel zur Finanzierung der Geschäfte
  • Reinvestition der erzielten Gewinns

Jedes dieser Indizien kann zusammen mit andern, unter Umständen jedoch auch allein zur Annahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit ausreichen. Einzelne typische Elemente einer selbständigen Erwerbstätigkeit, die im Einzelfall nicht erfüllt sind, können durch andere Elemente kompensiert werden, die besonders ausgeprägt vorliegen. Die einzelnen Gesichtspunkte dürfen dabei nicht isoliert betrachtet werden und können auch in unterschiedlicher Intensität auftreten. Entscheidend ist, dass die Tätigkeit in ihrem gesamten Erscheinungsbild auf den Erwerb ausgerichtet ist.

Die Würdigung der Gesamtheit der Umstände ohne klare Vorgabe einer Rangordnung der aufgeführten Indizien erschwert die Beurteilung, ob im Einzelfall eine selbstständige Erwerbstätigkeit vorliegt oder nicht. Da bereits ein einzelnes besonders ausgeprägtes Indiz genügen kann, zeigt, dass die Stufe zur Annahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit sehr tief gesetzt ist. Dies gilt jedenfalls immer dann, wenn die Tätigkeit gewinnbringend erfolgt.

Technisch-wirtschaftliche Funktion

Die Abgrenzung zwischen Privat- und Geschäftsvermögen erfolgt nach der technisch-wirtschaftlichen Funktion des betreffenden Vermögenswerts. Dies bezieht sich auf den Zusammenhang des Vermögenswerts mit einer möglichen selbständigen Erwerbstätigkeit.

Ein hinreichend enger Zusammenhang ist in der Regel zu bejahen, wenn ein Vermögenswert objektiv erkennbar für Geschäftszwecke verwendet wird oder tatsächlich der selbständigen Erwerbstätigkeit dient. Mithin ist danach zu fragen, ob ein Vermögenswert (z.B. eine Beteiligung) der Einnahmensteigerung oder der Aufwandverminderung der selbständigen Geschäftstätigkeit dient. Vermittelt eine Beteiligung massgeblichen Einfluss auf eine Gesellschaft in derselben oder verwandten Branche wie der eigenen, ist dies als Indiz für die Qualifikation als Geschäftsvermögen zu betrachten. Werden zudem eigene Aufträge aus einer solchen Beteiligung generiert, führt dies im Grundsatz zur Bestätigung dieser Vermutung. Dies ist z.B. bei einem Architekten der Fall, der an Immobiliengesellschaften beteiligt ist und aus diesen Architekturaufträge für die eigene Architekturgesellschaft akquiriert.[2]

Zu beachten ist indes, dass nicht nur Beteiligungen in derselben Branche als Geschäftsvermögen qualifizieren können. Auch branchenfremde Beteiligungen können als Geschäftsvermögen betrachtet werden, wenn diese geeignet sind, das Betätigungsfeld der Stammfirma sinnvoll auszuweiten oder zu ergänzen bzw. um die Geschäftstätigkeit zu diversifizieren. Entscheidend ist in jedem Fall der Wille der betroffenen Person, die Beteiligung konkret dafür zu nutzen, das operative Ergebnis des eigenen Unternehmens bzw. dessen Chancen auf dem Markt zu verbessern.

Vor diesem Hintergrund hat das Bundesgericht kürzlich festgehalten [3], dass es selbständigen Anwälten nicht verwehrt ist, Wertpapiere ihrer Mandanten im Privatvermögen zu halten. Das Bundesgericht hat damit die Position des Steuerpflichtigen geschützt und dessen Beschwerde gutgeheissen. In seiner Begründung hielt das Gericht fest, dass die Anwaltstätigkeit, die wiederholte Beratung, die Investitionstätigkeit sowie die Einsitznahme in den Verwaltungsrat per se noch keine hinreichenden Indizien sind, um die Beteiligung der (selbständigen) Geschäftstätigkeit zuzuordnen. Solange mit der Beteiligung keine Einnahmesteigerung oder Aufwandminderung im Rahmen der angestammten Erwerbstätigkeit (vorliegend der Anwaltstätigkeit) bezweckt wird, bestehe kein Raum, von Geschäftsvermögen auszugehen bzw. die Beteiligung der selbständigen Erwerbstätigkeit zuzuordnen. Damit ist die Qualifikation als Geschäftsvermögen gleichwohl nicht ausgeschlossen, da die Beteiligung auch Teil eines Wertschriftenhandels im Sinne einer selbständigen Erwerbstätigkeit bilden könnte. Hierzu was folgt:

Gewerbsmässiger Wertschriftenhandel

In der (gewinnbringenden) Veräusserung von Aktien kann unter Umständen ein gewerbsmässiger Wertschriftenhandel und damit eine selbständige Erwerbstätigkeit erblickt werden. Hierzu werden praxisgemäss folgende Kriterien herangezogen [4]:

  • Höhe des Transaktionsvolumens (Häufigkeit der Geschäfte und kurze Besitzdauer)
  • Einsatz erheblicher fremder Mittel zur Finanzierung der Geschäfte
  • Einsatz von Derivaten
  • Systematische oder planmässige Art und Weise des Vorgehens
  • Enger Zusammenhang der Geschäfte mit der beruflichen Tätigkeit der steuerpflichtigen Person sowie der Einsatz spezieller Fachkenntnisse

In diesem Kontext ist auf ein Urteil des Bundesgerichts hinzuweisen [5], in welchem es sich mit dem Verkauf einer Beteiligung befasste, welche von den Vorinstanzen als gewerbsmässiger Wertschriftenhandel qualifiziert wurde. Konkret erwarb eine anfänglich noch als selbständiger Unternehmensberater tätige Person eine Beteiligung an einer Holding-Gesellschaft, welche zwei Tochtergesellschaften hielt, die in der Verpackungsindustrie tätig waren. Diese Gesellschaften waren wirtschaftlich angeschlagen, weshalb Sanierungsmassnahmen erforderlich waren. Gemeinsam mit einem weiteren Geschäftspartner gelang es der betroffenen Person, die Gesellschaften zu sanieren und alsdann gewinnbringend zu veräussern. Das zuständige Steueramt sowie die Eidgenössische Steuerverwaltung waren der Ansicht, dass bei diesem Vorgehen der Rahmen der privaten Vermögensverwaltung gesprengt sei, womit die realisierte Wertsteigerung nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise ein (nachträgliches) Entgelt für die intensiven Sanierungsbemühungen und damit Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit darstellen würden. Das Bundesgericht hielt diesbezüglich fest, dass es Beteiligungsinhabern steuerlich nicht verwehrt ist, zu versuchen, den Wert der Beteiligung durch Mitwirkung in der Gesellschaft zu steigern.[6] Für eine nachträgliche Umqualifikation des Veräusserungsgewinns in ein Entgelt für geleistete Arbeit bestand im konkreten Fall mithin keine Grundlage, womit der Gewinn als steuerfreier Kapitalgewinn vereinnahmt werden konnte.

Ausnützen einer zufällig sich bietenden Gelegenheit

Obwohl der Begriff «Händler» oft mit wiederholten Käufen und Verkäufen verbunden wird, kann auch der einmalige Verkauf eines Vermögenswerts unter bestimmten Umständen als selbständige Erwerbstätigkeit angesehen werden. Fraglich ist aus steuerlicher Sicht, ob schon der einmalige Verkauf eines Vermögenswerts zur Annahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit als Händler führen kann.

Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung schützt der bloss einmalige Verkauf eines Vermögenswerts grundsätzlich nicht vor der Begründung einer selbständigen Erwerbstätigkeit. So kann der Verkauf einer einzigen Liegenschaft oder der (Teil)Verkauf einer Beteiligung zur Annahme einer selbständigen (Neben)Erwerbstätigkeit führen. Dies erfordert jedoch, dass der entsprechende Vermögenswert im Rahmen einer planmässigen, auf Erwerb ausgerichteten Tätigkeit angeschafft und mit Blick auf einen künftigen gewinnbringenden Verkauf bewirtschaftet wurde. Ein steuerfreier Kapitalgewinn aus dem Verkauf eines einzelnen Vermögenswerts ist nur möglich, wenn der Verkauf der privaten Vermögensverwaltung zugeordnet werden kann. Dies ist der Fall, wenn lediglich eine sich bietende Gelegenheit genutzt wird, wobei die Beweislast bei der steuerpflichtigen Person liegt. Solange die Grenze zur selbständigen Erwerbstätigkeit nicht überschritten wird, dürfte eine gewisse vermögensverwaltende Tätigkeit in Bezug auf den zu veräussernden Vermögenswert nicht schädlich sein. Dabei sind jedoch immer die Umstände des konkreten Einzelfalls zu würdigen.

Wird hauptberuflich eine unselbständige Erwerbstätigkeit ausgeübt, ist nach bundegerichtlicher Rechtsprechung nur in besonderen Fällen, eine nebenberufliche selbständige Erwerbstätigkeit anzunehmen. Als Indizien fallen diesbezüglich eine allfällige Fremdfinanzierung, eingegangene Risiken oder ein besonders systematisches oder planmässiges Vorgehen besonders ins Gewicht. Die Berufsnähe und eingesetzte Spezialkenntnisse sind ebenfalls als Indizien zu berücksichtigen. Die Höhe des erzielten Gewinns spielt gemäss Bundesgericht hingegen nur eine untergeordnete Rolle.[7]

Ein aktuelles Beispiel liefert das Bundesgericht[8]: In diesem Fall wurde der Gewinn aus einem einmaligen Verkauf einer Beteiligung als Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit qualifiziert. Entscheidend war, dass der Steuerpflichtige über längere Zeit hinweg systematisch und unternehmerisch in das Projekt involviert war, erhebliche finanzielle Mittel investierte, unternehmerische Risiken einging und mit einem erfahrenen Geschäftspartner kooperierte. Trotz fehlender Wiederholung dieser Tätigkeit reichten diese Umstände zur Annahme einer steuerbaren Erwerbstätigkeit aus.

Fazit und Empfehlungen

Die Unterscheidung zwischen steuerfreiem Kapitalgewinn und steuerpflichtigem Einkommen ist in vielen Fällen komplex und von verschiedenen Indizien abhängig. Um einen steuerfreien Kapitalgewinn zu realisieren, ist es wichtig, die relevanten Kriterien genau zu prüfen und gegebenenfalls rechtzeitig Massnahmen zu ergreifen, um steuerliche Nachteile zu vermeiden. Eine frühzeitige und vorausschauende Planung ist angesichts der Steuerfolgen bei Verweigerung der steuerfreien Behandlung von Kapitalgewinnen unerlässlich. Dies gilt umso mehr als auf dem Veräusserungsgewinn neben den Einkommenssteuern auch Sozialversicherungsabgaben geschuldet sind.

[1]           Vgl. Urteil BGer 9C_454/2023 vom 11. Dezember 2024.
[2]           Vgl. Urteil BGer 2A.547/2004 vom 22. April 2005.
[3]           Vgl. Urteil BGer 9C_454/2023 vom 11. Dezember 2024.
[4]           Vgl. Kreisschreiben der ESTV Nr. 36, Ziff. 4.3.2.
[5]           Vgl. Urteil BGer 2C_115/2012 und 2C_116/2012 vom 25. September 2012.
[6]           Vgl. Urteil BGer 2C_115/2012 und 2C_116/2012 vom 25. September 2012 E. 2.5.3.
[7]           Vgl. insb. Urteil BGer 9C_403/2023 vom 25. Juni 2024 E. 5.5.
[8]           Vgl. insb. Urteil BGer 9C_403/2023 vom 25. Juni 2024.

Mit Urteil 9C_690/2022 vom 17. Juli 2024 hat sich das Bundesgericht in Fünferbesetzung zur Bindungswirkung der von der ESTV jährlich publizierten Safe-Harbour-Zinssätze geäussert. Nach Auffassung des höchsten Gerichts sind die Steuerbehörden nicht an die publizierten Zinssätze gebunden, wenn zwischen verbundenen Unternehmen Zinssätze vereinbart werden, die unter oder über den publizierten Mindest- oder Höchstzinssätzen liegen. In diesem Fall – so das Bundesgericht – sind die Steuerbehörden vielmehr gehalten, den konkreten marktüblichen Zinssatz zu ermitteln.

Sachverhalt und Prozessgeschichte

Die beschwerdeführende Gesellschaft (A. AG), eine Tochter einer spezialgesetzlichen Aktiengesellschaft (B. AG), ist aufgrund von Betriebstätten im Kanton Zürich beschränkt steuerpflichtig.[1] Im Jahr 2013 schloss die A. AG mit ihrer Mutter einen Rahmenkreditvertrag mit einer Kreditlimite von maximal CHF 1 Mrd. ab. Gestützt auf diesen Vertag vereinbarten die beiden Gesellschaften ein Darlehen mit fester Laufzeit (61 Monate) über CHF 500 Mio., welches mit 2.5% p.a. zu verzinsen war. In der Differenz zwischen der Kreditlimite und dem festen Darlehen wurde ein Kontokorrent mit einem Zinssatz von 3% p.a. vereinbart.

Das Kantonale Steueramt des Kantons Zürich («KStA ZH») vertrat die Meinung, dass die vereinbarten Zinssätze dem Drittvergleich nicht standhielten, da bei der Festlegung der strittigen Zinssätze insbesondere die bestehende Staatsgarantie der Muttergesellschaft nicht berücksichtigt worden sei. In der Folge machte das KStA ZH für die betroffenen Steuerperioden 2014 und 2015 geldwerte Leistungen geltend, wobei es den seiner Ansicht nach marktüblichen Zinssatz zunächst nach pflichtgemässem Ermessen ermittelte und auf 1 % p.a. festlegte. Die dagegen erhobene Einsprache hiess das Steueramt teilweise gut und setzte den angemessenen Zinssatz neu auf 1,08% fest. Diesen Zinssatz ermittelte die Veranlagungsbehörde aus dem durchschnittlichen Zinssatz für die Refinanzierung der B. AG mit Anleihensobligationen von 0.83% und addierte eine Marge von 0.25%. Dieser Ansatz wurde vom Steuerrekursgericht des Kantons Zürich mit Urteil vom 10. März 2021 bestätigt.

Die gegen das Urteil des Steuerrekursgerichts erhobene Beschwerde wurde vom Verwaltungsgericht des Kanton Zürich teilweise gutgeheissen und zur Neuberechnung und zum Neuentscheid im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen. Das Verwaltungsgericht hielt im Wesentlichen fest, dass die von der ESTV jährlich publizierten Zinssätze auch zu beachten seien, wenn die Steuerpflichtige von diesen abweicht, und dass diese den Bandbreitenrand der drittvergleichskonformen Verzinsung definierten. Eine Korrektur einer nicht marktüblichen Verzinsung sei mithin nur auf die Höhe der jeweiligen Mindest- bzw. Höchstzinssätze möglich. Hiergegen führte das KStA ZH vor Bundesgericht Beschwerde, welches die Position des Verwaltungsgerichts verwarf und die Auffassung des Steueramtes im Ergebnis schützte.

Begründungsansatz und kernaussagen des bundesgerichts

In materieller Hinsicht setzte sich das Bundesgericht zunächst kurz mit dem Einwand des KStA ZH auseinander, die von der ESTV publizierten Zinsrundschreiben seien für die Staats- und Gemeindesteuern nicht anwendbar und nur für die direkte Bundessteuer und die Verrechnungssteuer verbindlich. Diesbezüglich erinnerte das höchste Gericht daran, dass es sich beim Gewinnsteuerrecht um eine harmonisierte Materie handle, weshalb die Zinssätze der ESTV auch für die Staats- und Gemeindesteuern anwendbar seien.[2]

In Bezug auf den Charakter der ESTV-Zinsrundschreiben betreffend die zulässigen Zinssätze führte das Bundesgericht zunächst aus, dass diese der Vereinfachung bei der Anwendung des Prinzips der Marktüblichkeit dienen würden. Die Vereinfachung liege darin, dass die publizierten Zinssätze als «safe harbour rules» die Annahme begründen, es läge keine geldwerte Leistung vor, wenn sich die steuerpflichtige Person an die Regeln hält.[3] Umgekehrt bzw. wenn die steuerpflichtige Person von den publizierten Zinsätzen abweiche, gelte hingegen die widerlegbare Vermutung einer geldwerten Leistung. Diesfalls obliege es der Steuerpflichtigen, nachzuweisen, dass die Zinszahlungen dem Drittvergleich standhalten. Gleichzeitig hielt das Bundesgericht fest, von den Zinsrundschreiben der ESTV sei nur abzuweichen, dann die anwendbaren Gesetzesbestimmungen nicht überzeugend konkretisieren würden.[4]

Mit Blick auf den zu beurteilenden Sachverhalt führte das Bundesgericht aus, die Bindungswirkungen der Zinsrundschreiben bestehe nur solange, als sich die steuerpflichtige Person selbst an die darin definierten Zinssätze halten würde. Weiche diese davon ab, «[sei] kein Grund ersichtlich, weshalb die Steuerbehörde weiterhin daran gebunden sein soll und nicht ihrerseits den Nachweis einer Drittvergleichskonformität erbringen […] [dürfe]».[5] In diesen Fällen lägen alsdann auch weder eine Verletzung des Vertrauensschutzes noch des Gleichbehandlungsgebots vor, zumal die steuerpflichtige Person selbst von den ESTV-Zinssätzen abgewichen sei. Mit dem Abweichen der genannten Zinssätze würde schliesslich auch der Zweck der «safe harbour rules», d.h. die administrative Vereinfachung, vereitelt, da die Steuerbehörden in diesen Fällen zu überprüfen habe, ob der geltend gemachte Zinssatz marktkonform ist.[6] Vor diesem Hintergrund erkannte das Bundesgericht keine Rechtsverletzung indem das KStA ZH vorliegend den ihres Erachtens marktüblichen Zinssatz – in Abweichung der ESTV-Zinssätze – ermittelt hat.

In Bezug auf die Ermittlung des marktüblichen Zinssatzes durch das KStA ZH stellte das Bundesgericht fest, dass sich das Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich nicht mit der Frag der Zulässigkeit der Berücksichtigung einer Marge von 0.25% gestützt auf die Zinsrundschreiben der ESTV nicht befasst habe. Diesbezüglich hat das Bundesgericht die Sache an die Vorinstanz zur erneuten Beurteilung zurückgewiesen.

Überlegungen zu den bundesgerichtlichen erwägungen und deren tragweiteazit

Das dargestellte Urteil des Bundesgerichts wirft sowohl aufgrund des Begründungsansatzes und der möglichen Konsequenzen für die Praxis verschiedene Fragen auf, auf die im Folgenden einzugehen ist.

Was die verneinte Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes betrifft, ist dem Bundesgericht soweit zuzustimmen, wenn gewährleistet ist, dass die Steuerbehörden in allen Fällen, in welchen eine steuerpflichtige Person von den ESTV-Zinssätzen abweicht, konsequent und lückenlos den ihrerseits als marktüblich geltenden Zinssatz ermittelt. Mit anderen Worten sollte eine einzelfallweise Berufung durch die Steuerbehörden auf die ESTV-Zinssätze ausgeschlossen bleiben, da dies andernfalls zu einer Ungleichbehandlung der Steuerpflichtigen führen würde, die von den ESTV-Zinssätzen abweichen. So verstösse die einzelfallbezogene Geltendmachung der effektiv höheren Verwaltungskosten durch die Steuerbehörden bei der Bemessung des Beteiligungsabzugs – soweit dies überhaupt vom Gesetzgeber gewollt ist[7] – gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung.[8]

Nicht – wenn überhaupt – vollends zu überzeugen vermag alsdann die Argumentation des Bundesgerichts, wonach der Zweck der Zinsrundschreiben in der administrativen Vereinfachung nicht mehr erreicht werden könne, wenn die steuerpflichtige Person von den zulässigen Höchstzinsen abweiche. Nach der nun ergangenen Rechtsprechung des Bundesgericht können sich die Steuerbehörden (unter Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes) nicht mehr auf die Prüfung der zum Nachweis der Drittvergleichskonformität vorgelegten Verrechnungspreisstudien beschränken, sondern müssen nun ihrerseits – sofern sie der Ansicht sind, dass der Nachweis nicht gelungen ist – den effektiv marktüblichen Zinssatz bestimmen. Zwar bringt der (versuchte) Nachweis der drittvergleichskonformen Verzinsung durch die Steuerpflichtigen entsprechenden Aufwand bei der Steuerbehörde mit sich. Dies an sich verhindert den Zweck der administrativen Vereinfachung aber nur teilweise. Vollständig vereitelt wird dieser Zweck erst durch die vom KStA ZH vertretene und vom Bundesgericht geschützte Position, es sei Aufgabe der Steuerbehörde, den konkret anzuwendenden Zinssatz (und nicht bloss einen Zinsrahmen) festzulegen. Ginge es effektiv (bloss) um die administrative Vereinfachung, ist kein Grund ersichtlich, weshalb bei nicht gelungenem Nachweis der at arm’s length Verzinsung (zur Vereinfachung) nicht auf die ESTV-Zinssätze abzustellen ist. Stattdessen müssen die Steuerbehörden nach der nun geltenden Rechtsprechung den tatsächlich drittvergleichskonformen Zinssatz ermitteln.

Was die Anforderungen an den von den Steuerbehörden zu erbringenden Nachweis des ihres Erachtens marktüblichen Zinssatzes betrifft, scheint es nahezuliegen, auf dieselben Anforderungen an den Nachweis des Drittvergleichs bzw. die Verrechnungspreisstudie abzustellen, wie sie von der ESTV für die Steuerpflichtigen definiert worden sind. Mithin müsste die vorzulegende Verrechnungspreisstudie folgende Elemente umfassen, wobei für die ersten beiden Punkte die Mitwirkungspflicht des betroffenen Steuerpflichtigen herangezogen werden kann[9]:

  • Eine detaillierte Beschreibung der Hauptmerkmale der relevanten Transaktion, die sich auf den Zinssatz auswirken könnten.
  • Eine Analyse des Kreditratings des Darlehensnehmers.
  • Eine Suche nach vergleichbaren Transaktionen, die unter Berücksichtigung der wichtigsten Vergleichbarkeitsfaktoren erstellt wird.

Hinsichtlich der anwendbaren Verrechnungspreismethoden gilt bei Zinsen die Preisvergleichsmethode (Comparable Uncontrolled Price Method, CUP-Methode) als die primär anzuwendende Verrechnungspreismethode. Daneben ist in der schweizerischen Praxis auch die Geldbeschaffungskostenmethode (Cost of Funds Method) anerkannt, an der sich das KStA ZH offensichtlich orientiert hat. Bei diesem Ansatz wird der Zinssatz auf Basis der Kosten für die Beschaffung der finanziellen Mittel durch den Kreditgeber zuzüglich einer Risikoprämie sowie einer Gewinnmarge ermittelt. Bei der Margenbestimmung ist eine Einzelfallbeurteilung unter Berücksichtigung des Kreditratings des Kreditnehmers erforderlich. Vor diesem Hintergrund ist der Rückweisungsentscheid des Bundesgerichts in Bezug auf die vom KStA ZH angewendete Zinsmarge von 0.25%, welche sich wiederum auf das Zinsrundschreiben der ESTV abstützt, im Lichte der übrigen Erwägungen nur konsequent.

Schliesslich wirft auch die bundesgerichtliche Feststellung Fragen auf, wonach es Aufgabe der Steuerbehörde sei, einen konkret anzuwendenden Zinssatz und nicht (bloss) einen Zinsrahmen festzulegen habe. Diese Aussage kann mit der state of the art Verrechnungspreismethodik nicht in Übereinstimmung gebracht werden. Das Bundesgericht verkennt, dass für die marktübliche Verzinsung grundsätzlich nur eine Bandbreite ermittelt werden kann bzw. dass es wenig wahrscheinlich ist, dass es nur einen Marktzins für eine bestimmte Transaktion gibt.[10] Dabei gilt der Grundsatz, dass eine Korrektur der effektiv vereinbarten Konditionen zwischen verbundenen Unternehmen nur auf den oberen oder unteren Rand der Bandbreite zulässig ist. Dieser Grundsatz wird nun vom Bundesgericht – zumindest in Bezug auf Zinsen – unnötig in Frage gestellt. Ebenfalls in Frage gestellt wird, inwiefern die von der ESTV publizierten Zinssätze dem Drittvergleich entsprechen, wenn diese in bestimmten Fällen nicht als Grundlage zur Festsetzung geldwerter Leistungen herangezogen werden können sollen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass sich gewisse Steuerverwaltungen auf den Standpunkt stellen, die Bandbreite der marktkonformer Zinssätze sei relativ eng, womit ein Abweichen von den ESTV-Zinssätzen von mehr als 25% per se nicht drittvergleichskonform und das Erbringen des Gegenbeweises durch die Steuerpflichtige (faktisch) ausgeschlossen sei.[11] Diese Position kann bei konsequenter Berücksichtigung der nun ergangenen bundesgerichtlichen Rechtsprechung nicht mehr aufrecht erhalten werden.

Fazit

Mit Blick auf den konkret zu beurteilenden Sachverhalt kann festgehalten werden, dass das Abweichen durch das KStA ZH von den ESTV-Zinssätzen durchaus als einzelfall- und sachgerecht betrachtet werden kann. Die vom Bundesgericht gewählte Begründung zur Rechtfertigung des Abweichens von den ESTV Zinssätzen vermag aber nicht zu überzeugen und führt zu unnötigen Unsicherheiten. Es wäre sachgerechter gewesen, die Spezialität des Einzelfalls herauszustreichen und damit eine sachverhaltsbezogene Begründungslinie zu fahren. Diesbezüglich hätte das Bundesgericht auf den Grundsatz abstellen können, dass von den Zinsrundschreiben der ESTV (nur) abgewichen werden kann, wenn sie die anwendbaren Gesetzesbestimmungen nicht überzeugend konkretisieren, was vorliegend durchaus hätte argumentiert werden können.

Wünschenswert wäre nun, wenn die ESTV das nun vorliegende Urteil des Bundesgerichts als Impuls zur Ausdifferenzierung ihres Zinsrundschreibens verstehen und namentlich den Anwendungsbereich der «safe harbour-rules» genauer abstecken würde.[12] Damit würde die Rechtssicherheit der Steuerpflichtigen erhöht und es könnte der zu erwartende Mehraufwand für die Steuerbehörden abgefedert werden. In diesem Zusammenhang ist nämlich zu beachten, dass das Kreditrating des Darlehensnehmers und die konkrete Ausgestaltung der Finanzierung für die einzelfallbezogene Ermittlung eines drittvergleichskonformen Zinssatzes von erheblicher Bedeutung sind. So ist z.B. zu beurteilen, welchen Einfluss Sicherheiten, Laufzeit und Rückzahlungsprivilegien (oder das Fehlen von solchen) haben und ob bzw. wie ein impliziter Konzernrückhalt oder ein Konzernrating zu berücksichtigen sind bzw.

Da ein Abweichen von den Zinsrundschreiben der ESTV schon immer zu einer faktischen Nachweispflicht der Drittvergleichskonformität der verwendeten Zinssätze geführt hat, ist – auch im Lichte dieses Entscheids – Unternehmensgruppen weiterhin zu empfehlen, eine entsprechende Verrechnungspreisanalyse und -dokumentation zu erstellen.

Zürich, 23. August 2024

[1]    Vgl. zur detaillierteren Sachverhaltsbeschreiben das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich SB.2021.00056 vom 25. Mai 2022.
[2]    Urteil BGer 9C_690/2022 vom 17. Juli 2024, E. 6.1.
[3]    Urteil BGer 9C_690/2022 vom 17. Juli 2024, E. 4.1.
[4]    Urteil BGer 9C_690/2022 vom 17. Juli 2024, E. 4.2.
[5]    Urteil BGer 9C_690/2022 vom 17. Juli 2024, E. 6.2.
[6]    Urteil BGer 9C_690/2022 vom 17. Juli 2024, E. 6.2 in fine.
[7]    Vgl. Attenhofer, in: Klöti-Weber/Schudel/Schwarb, Kommentar zum Aargauer Steuergesetz, 5. Aufl., Bern 2023, Rz. 35 zu § 27b; Vitali, ibid., Rz. 86 zu § 76.
[8]    Vgl. Greter, Der Beteiligungsabzug im harmonisierten Gewinnsteuerrecht, Diss., Zürich 2000, S. 142.
[9]    Vgl. https://www.estv.admin.ch/estv/de/home/internationales-steuerrecht/verrechnungspreise.html, Frage 23.
[10]    Vgl. https://www.estv.admin.ch/estv/de/home/internationales-steuerrecht/verrechnungspreise.html, Frage 32.
[11]    Vgl. Harbeke/Hug/Scherrer, Verrechnungspreisrecht der Schweiz, Grundlagen und Praxis, Zürich, 2022, Rz. 1188.
[12]    Vgl. hierzu auch die Kritik an den ESTV-Zinsrundschreiben bei Harbeke/Hug/Scherrer, a.a.O., Rz. 1226.