Braucht es besondere MWST-Regeln für Non-Fungible Token (NFT)? Teil 1

Auf Distributed-Ledger-Technologien (DLT) wie z.B. Blockchain basierende Krypto-Assets erobern mehr und mehr den Markt. Dies gilt derzeit insbesondere für NFT und den Kunstmarkt.1 Obwohl das Handelsvolumen laut Crypto Valley Journal2 aktuell bei rund USD 100 bis 200 Mio. pro Monat liegt, wird dem NFT (Non-Fungible Token) vom Gesetzgeber und auch von der Verwaltungspraxis gerade im MWST-Bereich nur zögerlich Aufmerksamkeit geschenkt. Es stellt sich die Frage, ob es für Transaktionen mit diesen speziellen Token eine besondere MWST-Regelung braucht oder ob die aktuellen gesetzlichen Vorschriften genügen.

Was ist ein NFT?

Krypto-Assets sind digital generierte und handelbare Wirtschaftsgüter, die auf einer DLT basieren. Diese werden in zwei Gruppen eingeteilt:

  • in sogenannte Fungible Token (FT, zu denen z.B. auch die Digitalwährungen Bitcoin oder Ether gehören): Diese haben aus sich selbst heraus keinen Wert. Sie sind untereinander austauschbar und teilbar (engl.: fungible). Sie
    sind vergleichbar mit Fiatgeld, also Währungen wie Schweizer Franken, Euro und US-Dollar.
  • in sogenannte Non-Fungible Token, die aufgrund des in ihnen repräsentierten konkreten Vermögenswerts einzigartig und nicht beliebig untereinander austauschbar (engl.: non-fungible) sind. So besteht die Einzigartigkeit der Non-Fungible Token (NFT) darin, dass jeder einzelne Token einen ganz bestimmten physischen oder digitalen Vermögenswert auf einer DLT (oft Blockchain) repräsentiert, wobei der NFT regelmässig nur einen Verweis auf einen digitalen Speicherort enthält – nicht den repräsentierten Vermögenswert selbst.

FT in Form von Digitalwährungen, inbesondere Bitcoin, sind der breiteren Öffentlichkeit bereits seit über einem Jahrzehnt bekannt, in El Salvador gilt Bitcoin seit 2021 gar als offizielles Zahlungsmittel. Aber NFT erobern mehr und mehr den Markt und werden insbesondere im Kunsthandel immer beliebter. Dies zeigt sich eindrücklich an den folgenden Zahlen (Stand Januar 2023):

  • weltweiter Wert des NFT-Markts: EUR/CHF +16 000 Mio.
  • Prognosen zum Wachstum des NFT-Markts: USD +174 Mrd. bis 2026

Es ist also Zeit, dass sich Gesetzgeber weltweit mit Krypto-Assets bzw. NFT befassen, um für die Anwender Rechtssicherheit zu gewährleisten. 

Aktuelle Rechtslage in der Schweiz

Tatsächlich hat die Schweiz am 1. August 2021 spezielle gesetz-liche Regelungen für DLT in Kraft gesetzt, und zwar in Form des DLT-Gesetzes und der dazugehörenden Mantelverordnung. Einhergehende Änderungen im OR, welche die Einführung von Wertrechten auf einer Blockchain ermöglichen, sind am 1. Februar 2021 in Kraft getreten.4

Die ESTV hat den Bedarf für eine Klarstellungen im Zusammenhang mit der MWST bereits früher erkannt und schon Mitte 2019 für die Praxis wichtige Leitfäden für die Leistungen im Zusammenhang mit Blockchain- und Distributed-Ledger-Technologie und für die Verwendung von Token ausgearbeitet. Diese wurden insbesondere in die MWST-Info 04, Steuerobjekt, unter den Ziffern 2.7.3 in-tegriert.5 Dabei geht die ESTV jedoch nicht explizit auf die unterschiedlich ausgestalteten Token als FT oder als NFT ein.

Es stellt sich nun die Frage, ob die bestehenden Regelungen genügen, um Leistungaustausche, die NFT beinhalten, für MWST-Zwecke rechtssicher zu beurteilen.

Klassifizierung von Krypto-Assets

Gemäss der publizierten Praxis un-terscheidet die ESTV bei Kryptocoins und -token zwischen Zahlungs-, Nutzungs- und Anlagetoken, die sie in der MWST-Info 04 «Steuerobjekt», Zif-fer 2.7.3.1 jeweils wie folgt definiert:

  • Zahlungscoins/-token (sog. Payment Coins/Token)

Kryptocoins/-token, die als reine Zahlungscoins/-token ausgestaltet sind, dienen keinem anderen Zweck als der Verwendung als Zahlungsmittel für den Erwerb von Lieferungen und/oder Dienst-leistungen bei einem oder mehreren Leistungserbringern. Zahlungs-coins/-token berechtigen daher nicht zum Bezug bestimmter beziehungsweise bestimmbarer Leistungen, sondern stellen lediglich das vereinbarte Zahlungsmittel dar.

  • Nutzungscoins/-token

(sog. Utility Coins/Token) Berechtigen Kryptocoins/token zum Bezug von bestimmten oder bestimmbaren Leistungen und/oder gewähren sie ein Zugangsrecht zu einer Plattform, einer Applikation oder Ähnliches (Li-zenz oder lizenzähnliches Recht), handelt es sich um sogenannte Nutzungscoins/-token.

  • Anlagecoins/-token

(sog. Asset [Backed] Coins/Token) Geben Kryptocoins/-token beispielsweise Anspruch auf Beteiligung am Ertrag, Umsatz, Gewinn, einen bestimmten Teil des Ertrags oder Umsatzes, derivative Rechte oder Ähnliches, handelt es sich um sogenannte Anlagecoins/-token. Anlagecoins/-token basieren stets auf einem vertraglichen Rechtsverhältnis, begründen daher kein gesellschaftsrechtliches Beteiligungsverhältnis und berechtigen nicht zur Rückzahlung des ursprünglich einbezahlten Betrags.

Hinweis

Dabei ist es nach Ansicht der ESTV möglich, dass Kryptocoins/-token auch in Mischformen der oben genannten Typisierungen vorkommen, wobei die Grundsätze der Leistungskombination nach Art. 19 Abs. 2 MWSTG zur Anwendung gelangen.

Einordnung von NFT in die Klassifizierung der ESTV

Zu prüfen ist demnach, ob sich NFT in die bestehende Klassifizierung problemlos einordnen lassen.

NFT als Zahlungstoken

Es liegt im Wesen eines Zahlungstoken, der als Zahlungsmittel dienen soll, dass er grundsätzlich aus-tauschbar und teilbar sein muss, um seiner angedachten Funktion gerecht werden zu können. Insofern scheint es wenig wahrscheinlich, dass NFT – denen das Element der Austauschbarkeit ja explizit fehlt – so ausgestaltet werden, dass sie in die Kategorie eines Zahlungstoken im Sinne der Definition der ESTV fallen.

NFT als Anlagetoken

Ähnlich dürfte regelmässig die Beurteilung von Token ausfallen, die ein Anrecht auf einen Anteil des Gewinns oder des Umsatzes oder Ähnliches gewähren: Diese sind zwar einem bestimmten Leistungsanspruch zugeordnet und «verbriefen» dieses sozusagen in digitaler Weise. Sofern sie aber untereinander inhaltlich identische Ansprüche verbriefen, dürften solche Token, die als Anlagetoken im Sinne der ESTV qualifizieren, beliebig untereinander austauschbar sein. Denkbar ist z.B., dass der Token eine Beteiligung mit der inhaltlichen Entsprechung einer Stammaktie repräsentiert.6 Denn anders als Namen- oder Vorzugsaktien dürften Stammaktien als solche austauschbar sein.7

Auf der anderen Seite ist es durch-aus denkbar, dass ein Token so ausgestaltet ist, dass er einen einzigartigen Anspruch oder eine in dieser Form einzigartige Kombination von Ansprüchen repräsentiert, die ihn eben gerade nicht beliebig aus-tauschbar machen (in Entsprechung beispielsweise zu einer Vorzugsaktie mit einem einmalig gewährten Vorzugsrecht). Ein solcher nicht aus-tauschbarer Token, der im Übrigen die Voraussetzungen der ESTV erfüllt, muss als Anlagetoken qualifizieren.

NFT als Nutzungstoken

Nutzungstoken gewähren gemäss Definition der ESTV ein Recht auf eine bestimmte (oder zumindest bestimmbare) Leistung und/oder geben ein Zugangsrecht zu einer Plattform, einer Applikation oder Ähnliches (haben also eine Art Lizenzfunktion inne).

Diese Funktion entspricht  – zumindest zum aktuellen Zeitpunkt – der wesentlichen Funktion von NFT. Um beim Beispiel Kunstmarkt zu bleiben, kann der entsprechende Token beispielsweise den Link zum Speicherort des eigentlichen (digitalen) Kunstwerks beinhalten oder als «digitales Eigentumszertifikat» für eine real existierende Skulptur dienen. Der Token repräsentiert damit bestimmte Rechte an einem bestimmten oder bestimmbaren digitalen oder physischen Wert. In dieser Funktion lässt er sich in die Klassifikation der ESTV als Nutzungstoken einordnen. Davon unabhängig zu beurteilen ist nach Auffassung der Autoren die Frage, ob der bestimmte oder bestimmbare Wert auch bereits die Qualität einer mehrwertsteuerlichen Leistung auf-weist. Die damit einhergehenden Fragen zum Zeitpunkts der Entstehung der Steuerforderung sind Gegenstand des zweiten Teils dieses Artikels. 

Hinweis

Damit scheint die Antwort auf die Frage recht simpel und zunächst gelöst: NFT dürften sich in der Terminologie der ESTV regelmässig als Nutzungs oder als Anlagetoken qualifizieren lassen. Die Qualifikation als Zahlungstoken scheint zum ak-tuellen Zeitpunkt eher unwahrscheinlich.

Nach Ansicht der ESTV richtet sich die mehrwertsteuerliche Behandlung aus Herstellung, Übertragung, Aufbewahrung und Handel von Krypto-Assets nach ihrer Einordnung in die MÄRZ 2023 vorstehend genannten Kategorien. Da sich NFT nach Ansicht der Autoren in die vorhandenen Kategorien einteilen lassen, kann daher fest-gehalten werden, dass es insofern tatsächlich keine Notwendigkeit für spezifische auf NFT zugeschnittene Regelungen zu geben scheint.


Freilich sind dadurch die praktischen Probleme, die sich bei der Bestimmung des Orts der Leistung oft da-durch ergeben, dass viele am Handel Teilnehmende nur unter Pseudonymen auftreten, nach wie vor ungelöst. Diese Fragestellungen werden in einer Fortsetzung dieses Artikels separat behandelt.

Ein Blick über die Grenze in die EU

In der EU ist im Juni 2022 die MiCA-Verordnung in Kraft getreten. Diese soll in den Mitgliedstaaten eine einheitliche Regelung im Umgang mit Kryptowerten gewährleisten. Weiter arbeitet die EU-Kommission unter dem Titel «VAT in the Digital Age (ViDA)» intensiv daran, die MWST für eine digitalisierte Welt fit zu machen. Allerdings geht es hier weniger um die materielle mehrwertsteuerliche Qualifikation von Token oder dem Handel mit digitalen Werten.8

Insgesamt kann festgehalten werden, dass zumindest auf EU-Ebene, namentlich der MWST-Richtlinie, keine speziellen Regelungen zur Handhabung von NFT existieren. Auch Gerichtsurteile zum Thema sind noch selten. Es ist abzusehen, dass die EU-Mitgliedstaaten basierend auf der MWST-Richtlinie der EU nach und nach jeweils Ansätze dazu entwickeln, die sich von Land zu Land im Detail unterscheiden. Dies macht es gerade für international tätige Unternehmen schwierig, den Durchblick zu behalten. Mit Blick auf die wachsende Bedeutung des NFT-Handels wäre es sicher hilfreich, wenn die EU-Kommission sich damit befassen und eine Harmonisierung anstreben würde.

Fazit

Zwar werden NFT in den aktuellen MWST-Regelungen und den Praxispublikationen nicht explizit erwähnt, die aktuell geltenden Vorschriften sind aber durchaus hinreichend, um eine Kategorisierung vorzunehmen, die nach Ansicht der ESTV die Grundlage bilden soll für die konkreten mehrwertsteuerlichen Folgen von Herstellung, Übertragung, Aufbewahrung und Handel von NFT.


Ob diese konkreten mehrwertsteuerlichen Folgen den spezifischen Problemen dieser neuen Technologie hinreichend Rechnung tragen und welche Risiken sich hieraus für die Teilnehmer am NFT-Markt ergeben, wird im zweiten Teil dieses Artikels eingehender diskutiert.

 

1 www.forbes.at/artikel/the-5-most-expensive-nfts-on-the-market.html, besucht am 30. Januar 2023.

2 https://cvj.ch/invest/der-aktuelle-stand-der-nft-maerkte-januar-2023/, besucht am 30.  Januar 2023.

3 https://hellosafe.ch/de/newsroom/report-statis-tik-nft, besucht am 30. Januar 2023.

4 www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/me-dienmitteilungen.msg-id84035.html

5 Die ESTV orientiert sich an der Klassifikation der FINMA, behält sich aber ausdrücklich vor, Token und Coins abweichend von der FINMA zu qualifizieren.

6 Es gilt allerdings zu beachten, dass Anlagecoins/ -token gemäss ESTV lediglich ein vertragliches Rechtsverhältnis, jedoch kein gesellschaftsrechtliches Beteiligungsverhältnis begründen (Vgl. MI 04, «Steuerobjekt», Punkt 2.7.3.1).

7 www.investopedia.com/terms/f/fungibility.asp, besucht am 30. Januar 2023.

8 Vielmehr gibt es drei Teilprojekte, die sich mit den Auswirkungen und Möglichkeiten von Interaktionen via digitaler Medien und der damit verbundenen, notwendigen Betrugsbekämpfung beschäftigen: Digital Reporting Rules (hier geht es um digitale Meldepflichten zwischen Steuerpflichtigem und den Behörden), Single VAT Registration (mit nur einer Registrierung in einem EU-Mitgliedstaat sollen Steuerpflichtige inskünftig mehr Transaktionsarte abwickeln können, die sonst zu Registrierungspflichten in mehreren Staaten bedingen würden) und Platform Economy (hier geht es im Wesentlichen darum, wie die korrekte Abrechnung der MWST durch Anbieter, die ihre Produkte über eine Inetrnet-Platform vertreiben, sichergestellt werden kann).